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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Major, Erich: Kunst und Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0353
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Bemerkungen.

Kunst und Krieg.

Von
Erich Major.

Der Krieg ist der Ausdruck der Überzeugung, daß es staatliche Ziele von
solcher Größe gebe, daß der einzelne ihnen sein Leben zu opfern berechtigt und
verpflichtet ist.

Die Kunst ist der Ausdruck der Überzeugung, daß es Oefühle von solcher
Kraft und Innigkeit gebe, daß sie dem toten Stoff einverleibt, daß sie verewigt
werden können und müssen. Die Verewigung1), sie ist auch nichts anderes als
das Aufopfern des hellsten und reinsten Lebens zugunsten einer Idee, die eben-
dieses Leben trotz der Aufopferung verklärt und erleuchtet.

Der Krieg zerstört Kulturwerte. Die Kunst baut sie auf. Aber die vornehmste
Kunstform, die immerdar als der reinste Ausdruck ihres Wertes gegolten hat, die
Tragödie, hat ebenso mit dem Tod und mit der Zerstörung von Werten zu tun
und mit der Zerstörung des besten menschlichen Wertes, nämlich des tragischen
Helden. Der Held muß untergehen, damit die Katharsis möglich sei, das trunkene
Ausleben in Trauer, in Schrecken und in der Seligkeit des Mitleids.

Wie diese Katharsis nur möglich ist durch das Erotische, durch die tiefste
Liebe, deren der Mensch fähig ist, und die sich dem Untergehenden ebenso zu-
wendet wie dem Aufsteigenden, so ist auch der Krieg nur denkbar mit Begeisterung,
mit der jubelnden Bejahung des staatlichen Zieles, das selbst noch im Grauen und
Tod als Tröstendes und Erhebendes vorschwebt.

Die Begeisterung ist es also, die das gemeinsame Band zwischen Krieg und
Kunst bildet. Es ist die Empfindung, aus der die großen Tatsachen des geistigen
und staatlichen Lebens überhaupt entspringen, das flutende Gefühl, daß ein Mäch-
tigeres ist, als wir selber sind, das in uns lebt und unsere Schritte lenkt und zu
Entscheidungen hinführt, die Jahrhunderten die Prägung geben.

Wie im Künstler, so ist auch im Krieger ein produktives Gefühl. Der
Kämpfende fühlt mit dem Sieg sein Vaterland gleichsam immer wieder
entstehen, er empfindet sich selbst als Baumeister, als Bildhauer, der mit dem
Meißelstoß und -hieb die Gestalt hervorstemmt, die ihm in seinen Träumen vor-
schwebte. Der Meißel, das ist sein Schwert, die Gestalt, das ist die Nation und
das Vaterland, dessen Umrisse er erweitern, dessen Machtgehalt er retten, dessen
Lebensinhalt er vermehren will.

»Im Feld, da ist der Mann noch was wert». Warum? Weil er aus der Er-

J) Siehe Erich Major, Die Quellen des künstlerischen Schaffens. KHnkhardt und
Biermann, Leipzig 1913. Die Grundbegriffe der Arbeit sind in dieser Zeitschrift
unter dem Titel »Die Notwendigkeit einer Ästhetik vom Standpunkte der Produkti-
vität« auseinandergesetzt worden.
 
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