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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Mitrovics, Julius: Das Grundproblem der ästhetischen Lust
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0462
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Bemerkungen.

Das Grundproblem der ästhetischen Lust.

Von

Julius Mitrovics.

Es war seit alters ein Bestreben der Ästhetik, ihre sämtlichen Sätze auf irgend-
ein Grundprinzip zurückzuführen. Solange die Quelle der Schönheitsgefühle ein-
seitig nur in dem Kunstobjekte gesucht wurde, glaubte man auch dies allgemeine
Prinzip im Kreise der Kunstgegenstände auffinden zu können. Infolgedessen wurde
auch das Ziel und das Material der ästhetischen Forschungen nicht sowohl in den
Schönheitswirkungen, als vielmehr in dem Kunstwerke gesucht.

Erst Fechner ging mit vollem Bewußtsein den richtigen Weg. Er hielt die
Möglichkeit einer allgemein regulierenden Formel vorläufig für zweifelhaft, behauptete
aber die Notwendigkeit einer solchen Formel. Er mißbilligte den Ausgangspunkt
der bisherigen Forschungen: die Methode der Deduktion und erklärte, ein reiches,
empirisch zusammengetragenes Material für nötig, denn nur im Besitze dieses
empirischen Materials vermöge man ein solches durchgreifendes Prinzip aufzustellen.
Er getraute sich aber kaum zu hoffen, daß die Forschungen in kurzer Zeit günstige
Ergebnisse haben können. — Auch Wundt glaubt nicht, daß ein solches Universal-
prinzip, das so viele gegensätzliche Elemente zusammenfassen soll, von großem
Nutzen wäre.

Meiner Ansicht nach hat Fechner darin recht, daß es unmöglich ist, die ästhe-
tischen Forschungen >von oben« anzufangen. Weder die Ästhetik noch die
Psychologie sind imstande, wie dies in der Mathematik geschieht, Teilprinzipien
aus allgemeinen Sätzen zu deduzieren. Auch in der Ästhetik ist die richtige Methode
diejenige, die man in den Naturwissenschaften befolgt. Wir müssen nämlich die
einzelnen ästhetischen Erscheinungen einer gründlichen Analyse unterziehen und,
die in ihren Elementen erkannten Prinzipien zusammenfassend, uns bemühen, nach
induktiver Methode allgemeinere Prinzipien festzustellen. In dem einen Punkte
aber, daß die sogenannten direkten Faktoren der Schönheitswirkung, d. h. die auf
sinnlichen Empfindungen beruhenden Elemente einerseits, und die assoziativen, d. h.
geistigen Faktoren höherer Ordnung anderseits schwer oder gar nicht unter einem
gemeinsamen Gesichtspunkte zusammenfaßbar sein sollten, kann ich die Ansicht
Fechners nicht teilen. Wenn wir nämlich sowohl in den direkten als auch in den
assoziativen Elementen Bedingungen unserer subjektiven psychologischen Be-
wegungen sehen, dann können diese nicht unter verschiedene oder sogar einander
widersprechende Gesetze gebracht werden. Aus dieser Prämisse folgt, daß jene
Faktoren nicht gegen-, sondern nebeneinander ihre Stelle haben.

Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß die ästhetischen Bewegungen der
menschlichen Seele aus vielartigen Bestandteilen bestehen. Daraus aber folgt
meiner Ansicht nach keineswegs, wie Dessoir und Volkelt meinen, daß ein in
 
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