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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Dyroff, Adolf: Zur Geschichte des Kontrastgesetzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0007

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dem Tone einer Trompete gleiche, werde zweckmäßig mit einem Tusch
von Pauken und Trompeten auf die Bühne geführt, die zarte Leiden-
schaft der Liebenden würde am besten durch sanfte Musik begleitet.
Wenn eine bedeutende Person darzustellen sei, so müsse man eine
große Menge anderer Personen wie in einer Prozession vor ihr her-
schreiten lassen oder gleichsam blumenstreuende Mädchen vor ihr auf
die Szene schicken; das erzeuge die größtmögliche Feierlichkeit, eine
höhere Meinung von ihrer Würde und hebe sie aus jeder gewöhn-
lichen Situation heraus (IV, 1).

So setzt er ziemlich klar auseinander (VIII, 1), daß in einem Gedicht
die Handlungen nicht nur »mögliche«, d. h. im Bereich des mensch-
lichen Vermögens liegende, sondern auch wahrscheinliche, d. h. glaub-
liche seien; vor allem müßten sie für den sie ausführenden Charakter
selbst wahrscheinlich sein, was vom Autor die genaueste Kenntnis
der Menschennatur verlange. Im Kreise dieser Bedingungen dürfe der
Dichter sich so viel Wunderbares gestatten, als er wolle. So nahe
hier Fielding an Zolas Theorie kommt, so dringend warnt er aber doch
davor, gewöhnliche, abgedroschene, hausbackene Charaktere und Er-
eignisse zu bevorzugen; fast glaubt man, er habe moderne Reporter-
romane vorausgesehen, wenn er hier Dinge nennt, wie sie in den
Spalten jeder Lokalzeitung zu finden sind.

In einem anderen einleitenden Essay (V, I) macht er sich über
die Willkür lustig, mit der ästhetische Kritiker vor ihm »Gesetze« auf-
stellten, die in allen prosaischen, komischen und epischen Schriften
eingehalten werden müßten. So greift er das Gesetz von der Einheit
des Ortes und der Zeit an, ebenso die Regel, daß das Drama gerade
fünf Akte haben müsse, ferner das Verbot gemeiner Stoffe. Sehr
treffend zeigt er, daß nur der geniale Künstler selbst Gesetze und
Regeln durch seine Praxis aufstellen dürfe, der Kritiker aber sie ledig-
lich zu kodifizieren habe. Es sei ein geschichtlich gewordener Unfug,
das Genie durch solch papierene Regeln von Männern, die Form und
Kern der Sache, Buchstabe und Geist verwechselten, in Ketten schmie-
den zu wollen, statt sie auf Wahrheit oder Natur zu gründen. Den
Unterschied der ästhetischen Theorie von der ästhetischen Kritik kennt
Fielding zwar nicht, aber er setzt ihn doch voraus, indem er in schein-
barem Widerspruch zu der Gesetzjägerei der »Skribenten« ein »Gesetz«
im Sinne der ästhetischen Theorie aufstellt, um seine eingestreuten
Essays, die in der Tat stören, scherzhaft zu rechtfertigen. Er nennt
das, was er meint, eine neue Ader des Wissens, die zwar schon ent-
deckt sei, aber weder von antiken noch von neueren Schriftstellern
ausgebeutet sei. Dieses sei der »Gegensatz«, der die Schönheit
und Vortrefflichkeit einer Sache am besten demonstriere und deshalb
 
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