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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0206
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Besprechungen.

Arthur Liebert, Der Geltungswert der Metaphysik. Philosophische
Vorträge, veröffentlicht von der Kantgesellschaft, Nr. 10. Berlin, Verlag von
Reuther und Reichard, 1915.
Diesen Vortrag Lieberts möchte ich besonders denjenigen Vertretern der Kunst-
wissenschaft anempfehlen, die es lieben, Metaphysik auf eigene Faust zu treiben,
°hne die ganze Wucht und Tiefe der Probleme zu erkennen. Welche Stellung
auch immer man zum Kritizismus einnehmen mag, man wird die folgerichtig aufge-
bauten und lichtvollen Ausführungen Lieberts jedenfalls als eine schätzenswerte Be-
scherung der Literatur begrüßen müssen. Zur Charakteristik des Buches will ich
hier nur auf die Darlegungen über das geschichtliche Leben eingehen, weil sie un-
mittelbar in den Betrieb der Kunstwissenschaft eingreifen; dabei will ich mich völlig
dem Wortlaut Lieberts anschließen: Das geschichtliche Leben ist eine von tausend
und abertausend Momenten bedingte und abhängige Wirklichkeit, vergleichbar
einem Geflecht, dem unzählige Formen und Bilder eingewoben sind, das sich
"nmerfort verschiebt, das immer neue Kombinationen aufweist, die zwar alle, in
ihren Teilen wie in ihrem Ganzen, gesetzmäßig begründet sind, ohne daß sich nun
aber das Gesetz derselben in einer einheitlich-eindeutigen Formel darstellen ließe.
*n dieser Beziehung tritt vielleicht ein Unterschied neben anderen zwischen dem
begreifen der mechanistischen Natur-Wirklichkeit und dem Begreifen der geschicht-
'■chen Lebens-Wirklichkeit zutage. Während dort eine Gesetzeskategorie oder eine
bestimmte Zahl derselben zur wissenschaftlichen Konstruktion jener Wirklichkeit
ausreicht, bleiben alle kategorialen Fassungen und Erfassungen der geschichtlichen
Wirklichkeit nur einlinige, rationalistisch enge Quer- oder Längsschnitte derselben.
Solange die Geltung dieser Schnitte nicht verkannt, d. h. nicht überschätzt wird,
solange das Bewußtsein lebendig bleibt, daß alle diese Kategorien, wie deren die
Geschichtsphilosophie eine ganze Anzahl entwickelt hat, nur methodisch gemeinte
Gesichtspunkte, nur Forschungsmaximen und Forschungsprinzipien sind, bleibt die
Aufstellung solcher Kategorien innerhalb der kritischen Forschung. Sofort aber
vollzieht sich der Durchbruch aus diesem Gebiet in das des Dogmatismus und der
Metaphysik, sobald eine einzelne kategoriale Form des Begreifens unter Mißach-
tUng ihrer bloß logischen und bloß rationalen Gültigkeit zum ausschließlichen und
das geschichtliche Leben als solches beherrschenden Gesetz desselben gemacht
Wird; gleichsam als ob sie die geheime Kraft und Gewalt wäre, der alles geschicht-
liche Leben Untertan ist. Die Struktur des Geschichtlichen, das Leben, sein Sinn
Ulld Gehalt, sperrt sich gegen die Verabsolutierung, weil dadurch sein Eigenwert
ünd seine Autonomie aufgehoben und seine Geltung zwar vertieft, zugleich aber
vernichtet wird. Wohl gewinnt es durch seine Beziehung auf einen absoluten Wert
aJ'ererst seinen Halt, seine tiefere Einheit, es erreicht durch sie die Einheitlichkeit
e'nes Sinnzusammenhanges; das Geschichtliche tritt in das Licht der Vernunft und
^ird vernünftig. Aber diese Erhebung erkauft es um den Preis seines geschicht-
■ehen Gehaltes, es erkauft ihn durch den Verlust seiner Fülle an Kulturinhalten und
 
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