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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Görland, Albert: Die dramatischen Stilgegensätze bei Grillparzer und Hebbel
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Eisler, Max: Die Sprache der Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0314
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BEMERKUNGEN. 309

Die Sprache der Kunstwissenschaft.

Von

Max Eisler.

Eine ausreichende, allen Beteiligten gleich zusagende Bezeichnung des Begriffes
der Kunstwissenschaft, soweit diese das Gebiet der bildenden Künste betrifft, ist
bisher noch nicht gefunden worden. Denn noch ist ihr methodischer Zustand un-
fertig, ihre Darstellung in keinem Beispiele schon erschöpfend gegeben, die sprach-
liche Einhelligkeit noch nicht erreicht. Vielleicht ist gerade dieses das hauptsäch-
liche Hindernis eines schnelleren Fortschrittes: denn mehr als irgendwo ist hier,
wo sich allmählich die Vertreter der verschiedensten geistigen Richtungen in gemein-
samer Absicht begegnen, das Mittel der Verständigung im Worte unerläßlich. So
aber spricht jeder, wie er es von seiner Mutterwissenschaft her gewohnt ist, der
Historiker benennt dasselbe Ding mit einem anderen Namen als der Philosoph, sie
sprechen aneinander vorbei und, während sie im Gedanken die neue Wissenschaft
nach besten Kräften zu fördern suchen, versagen sie ihr die eigene Mundart, ohne
die eine Selbständigkeit unmöglich wird.

Bei solchen ungeklärten Umständen wird es schwer, für alle gleich verständlich
von Kunstwissenschaft zu reden. Am ehesten wird man dazu kommen, wenn man
den Gegenstand in ein Verhältnis zur Kunstgeschichte bringt. Denn dieses Ver-
hältnis ist entscheidend, muß es bleiben. Die Kunstwissenschaft ist eine Entwick-
lungsform der Kunstgeschichte, sie geht in ihrer Emanzipation gerade so weit, daß
die Kunstgeschichte zu ihrer Hilfswissenschaft wird, allerdings zu einer von grund-
legender, unumgänglicher Bedeutung. Damit wird auch das Anfangsdatum der
Kunstwissenschaft, wohl nicht mit Jahr und Tag, auch nicht durch einen bestimmten
Akt oder eine begründende Persönlichkeit, festgelegt. Aber der Beginn liegt überall
dort, wo der gefestigte Historiker die genetischen Reihenfolgen untereinander zu
qualitativen Schichten verband und sowohl die künstlerischen Prozesse wie ihre
Ergebnisse durch Vergleich in Wertbeziehungen brachte. Der Beginn liegt dort, wo
der künstlerisch und allgemein-geistig potenzierte Historiker von universeller Bildung
auftrat und der Zusammensetzung »Kunstgeschichte« eine Deutung gab, durch
welche das Bestimmungswort gegen das Grundwort eingetauscht wurde. Der Be-
ginn liegt natürlicherweise auch dort, wo der Historiker die Unzulänglichkeit seiner
Ausdrucksweise verspürte und an eine neue Terminologie schritt, wie sie die neue
Wissenschaft brauchte.

Gerade diese neusprachlichen Bemühungen sind die sichersten Anzeichen des
Beginnes. Denn die besten Erkenntnisse sind flüchtig, halber Aufnahme und ganzen
Mißverständnissen ausgesetzt und deshalb wissenschaftlich unbrauchbar, solange der
Begriff nicht volle Klarheit, d. h. seine feste, gesättigte Sprachform erreicht hat, mit
der er in die Methode der Wissenschaft eingehen kann. Die dem Rüstzeug aller
nur möglichen Grenzwissenschaften entlehnten Nennungen mögen für den Anfang
ein notwendiger Behelf gewesen sein, aber sie waren und sind ebensoviele Hemm-
nisse für die Absonderung und Reinigung des kunstwissenschaftlichen Gedankens,
dessen exakten Anspruch sie diskreditieren, den sie in eine nachgerade unerträg-
liche Abhängigkeit von den Nachbargebieten bringen. Und aus demselben Grunde
ist jedes neuartige Wort für einen neuen Begriff ein Baustein der Wissenschaft, die
ihr Gerüste errichtet, und ein Angelpunkt ihrer Fortbewegung geworden.

In diesem Lichte erscheint — um das besonders bezeichnende Beispiel eines
Begründers anzuführen — das Wirken Alois Riegls von seiner wertvollsten, zur
 
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