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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0340
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BESPRECHUNGEN. 335

lebendiger Berührung mit den Kunstschöpfungen ihrer und aller Zeiten steht und

dem Künstler zu folgen sucht, anstatt ihm Gesetze vorzuschreiben.

Breslau.

___________ Elisabeth v. Orth.

Hermann Sinsheimer, Alte und neue Bühne. München, Hans Sachs-
Verlag 1917. 24 S.

In den letzten Jahren erschien gar manche Schrift, die dem Theater galt. »Seit
Jahrzehnten wird viel gesprochen und geschrieben von Bühnenreform und Reform-
bühne«, sagt (S. 23) auch der Verfasser der uns vorliegenden Schrift. Was sie nun
selbst auf wenigen Seiten über das Theaterproblem in ästhetischer Hinsicht bringt,
scheint uns auch an dieser Stelle der Beachtung wert. Über »Volk und Bühne,
Dichtung und Darstellung« (S. 23) spricht der Verfasser und zwar »zu Lasten und
zu Gunsten des modernen Regisseurs«, dessen Wünsche und Nöten er ja aus Er-
fahrung kennt.

Das Volk: nicht im »tendenziösen«, d. h. politischen Sinn des Wortes (S. 17),
sondern etwa im Sinne »einer kulturell gebundenen Einheit« (S. 1), das Volk und
das Theater bilden einen einheitlichen geistigen Komplex. Das gilt für den Ur-
sprung des Theaters (S. 1) wie für die Grundbedingung der Erfüllung seiner
Aufgabe (S. 4, 5, 16, 24). Wenn das genetische Verhältnis aber dahin bestimmt
wird, »jede . .. lebensfähige Sozialität (!) gebärt .. . aus ihrem inneren Reichtum
heraus den Wunsch, ein seelisch veredeltes und gesteigertes Abbild von sich auf
einem Schaugerüste ... zu sehen und anzustaunen« (S. 1), so scheint es uns der
inhaltlichen Folgerichtigkeit zu entbehren, wenn dieses Abbild als ein »nahezu
konkretes Spiegelbild« des weiteren bezeichnet wird (S. 1). Das Moment der Spiege-
lung ist nicht nur unzulänglich, wenn es gilt, die erkenntnistheoretischen Probleme
der Wissenschaft zu lösen. Es verdeckt auch die eigentliche Aufgabe der Kunst
und besonders der dramatischen, zumal wenn diese im Sinne des Verfassers ver-
standen wird, der sich so entschieden gegen den Naturalismus ausspricht (S. 12)
und gegen seinen bedeutendsten dramatischen Dichter, Henrik Ibsen (S. 18 f.). Der
Verfasser korrigiert sich selbst. »Das Theater«, schreibt er an einer Stelle, die be-
reits tiefer im Zusammenhang des Ganzen steht, »das Theater ist der Weg von
der Realität des Volkes zur Idealität der Kunst« (S. 5). Oder: »Die theatralische
Kunst entsteht aus der Reibung zwischen Sehnsucht und Wirklichkeitsbewußtsein
des Volkes« (S. 5). An die Stelle des optisch-mechanischen Begriffes der Spiege-
lung tritt der soziologische der Repräsentation (S. 4 f., 7). Und den Abschluß bildet
der Gedanke des Symbols, worin die Wirklichkeit in jedem Sinn am positivsten
überwunden erscheint (S. 16, 17, 24). Nur schade, daß der Verfasser gerade diesen
Begriff einfach übernimmt und ihn gebraucht, als sei er eindeutig klar und sonder
Bedenken verwertbar. Auch sonst möchte man der Gedankenentwicklung da und
dort (S. 4, 16, 20, 22) mehr begriffliche Schärfe und mehr sachliche Tiefe wünschen.

Des Verfassers Hauptinteresse gilt der Wirkungsweise und den Wirkungs-
mitteln der Bühne: »Man vernachlässigt den Menschen auf der Bühne. Man ver-
traut nicht mehr auf den von ihm, von seiner Geste, von seinem Wort ausgehenden
Eindruck, d. h. man vertraut nicht mehr auf den ursprünglich theatralischen Ein-
druck« (S. 14). Und der andere Satz: »Die Bühne ist keine optische, sie ist eine
akustische Anstalt« (S. 15). Man wird darin dem Verfasser sehr und doch nicht
ganz beistimmen. Aber daran ist es nicht gelegen, daß man ihm rückhaltlos recht
gebe: in der Abwehr der optisch-dekorativen Wirkungen (S. 12), in der Wertung
der großen Geste und des klingenden Wortes (S. 12, 15, 18, 19, 20). Wir schätzen
 
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