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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Henning, Hans: Das Erlebnis beim dichterischen Gleichnis und dessen Ursprung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0376
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XIII.

Das Erlebnis beim dichterischen Gleichnis
und dessen Ursprung.

Von
Hans Henning,

Über die ästhetische Rolle des dichterischen Gleichnisses sind ganz
verschiedene Ansichten vertreten worden, wobei jeder Autor auf
treffende, wenn vielleicht auch einseitige Belege verweisen konnte.
Wuchs sich doch die Weltliteratur zu einem buntfarbigen Urwalde aus,
der die mannigfaltigsten Gewächse birgt: gewaltige Baumriesen seltener
Arten ebenso wie ein Unterholz von kümmerlichem Gestrüpp. In
gleicher Weise wirkt die Verschiedenheit der Menschen mit, des Dich-
ters und auch seines Lesers. Einmal wären da der (visuelle, akustische
und motorische) Gedächtnis- und Vorstellungstypus in seiner sachlichen
und sprachlichen Seite mitsamt allen Mischungen zu nennen, dann der
(beschreibende, beobachtende, phantasievolle und lehrhafte) Darstel-
lungstypus, die Intelligenztypen, Temperamentarten und dergleichen
mehr. Eine Verständigung hierüber fällt heute leichter als noch vor
zwanzig Jahren, weil die experimentelle Psychologie diese Typen weit-
gehend aufhellte, und weil Groos inzwischen an zahlreichen Dichtern
zeigte, wie der Typus längst verstorbener Meister aus ihren Werken
zu entnehmen ist. Des Rätsels letzte Lösung freilich hat man damit
auch noch nicht. Drum stellen wir alle Streitfragen vorläufig zurück
und halten uns an Befunde, die für jeden gelten.

1. Der psychologische Mechanismus. Es liegt im Wesen der
poetischen Darstellung, daß der Dichter nicht einfach seine früheren
Wahrnehmungen erzählt, sondern daß er ganz Neues oder doch in
dieser Form noch nie Erlebtes gestaltet. Ebenso muß sich der Leser
bei erstmaliger Lektüre eine neue' Vorstellung oder Vorstellungs-
masse erzeugen. Dabei mag der Inhalt dieser Vorstellung sich ent-
weder auf die Welt des Wirklichen und Möglichen, oder auf das
Reich des Unwirklichen und Phantastischen beziehen. Der Mecha-
nismus solcher Produktionen wirft nun ein helles Licht auf die Rolle
der Gleichnisse.

Wer das Denken — und die Phantasie fällt in den Rahmen der
 
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