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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

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Schmarsow, August: Rhythmus in menschlichen Raumgebilden
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https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0175
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Bemerkungen.

Rhythmus in menschlichen Raumgebilden.

Von

August Schmarsow.

Oskar Walzel hat unter dem Titel »Wechselseitige Erhellung der Künste« ver-
sucht, einen Beitrag zur Würdigung kunstgeschichtlicher Begriffe zu liefern'). Er
berichtet an erster Stelle über meine seit langen Jahren geübte und so auch auf
Schüler übertragene Methode, die Innenräume mittelalterlicher Bauwerke, besonders
der Kirchen des Abendlandes, auf ihre rhythmische Gliederung zu untersuchen und
dadurch zum Verständnis des schöpferischen Wesens der Architektur wie zur Er-
klärung des ästhetischen Erlebnisses in solchen Raumgestaltungen hinzuwirken. Leider
muß ich, erst spät auf das Büchlein aufmerksam gemacht, sogleich anfangs erkennen,
wie fern dem Literarhistoriker diese anschaulichen Dinge liegen, nach denen er gierig
greift. Und dabei laufen ihm Verwechslungen und Irrtümer an so ausschlaggeben-
den Stellen unter, daß ich Einspruch dagegen erhebe, solches Zeug überhaupt
unter meinem Namen zu verbreiten.

Da steht zu lesen: »Schmarsow scheidet drei Qestaltungsprinzipien: Propor-
tionalität, Symmetrie und Rhythmus.« Mit Verlaub: dies tat Gottfried Semper, der
große Architekt, dessen Lehre ich psychologisch weiterzubilden gestrebt habe. Falsch
ist auch der Zusatz: »in ausdrücklicher Wendung gegen Riegl«. Doch das ist
kaum von Belang im Vergleich mit dem folgenden Wortlaut: »Der Proportionalität
weist er die erste Dimension zu, die Breite (sie!), der Symmetrie die zweite,
die Länge (!), — dem Rhythmus die dritte, die Tiefe.« Uns andern ist die
erste Dimension die Höhe, die zweite die Breite. Wenn jedoch auch Walzel die
Tiefe als dritte Dimension anerkennt, so ist ihm die Länge wohl in die vierte Dimen-
sion geraten. Daß aber nicht etwa ein Druck- oder Schreibfehler vorliegt, über
den der Verfasser des Vortrags auch bei der Korrektur hinweg gelesen hätte, ohne
sich etwas dabei zu denken, das bezeugt drei Seiten weiter die gleich lustige An-
gabe: »S. billigt transitorische Bewegung doch auch der ersten Dimension zu, der
von ihm die Symmetrie zugewiesen wird, und der zweiten, in der er Proportionalität
ansiedelt.« Sollte mich danach nicht schon der Setzer für einen unverbesserlichen
Rekruten gehalten haben, der mit derselben Hartnäckigkeit auch Rechts und Links
verwechseln werde? Aber es ist Walzel allein, der sich so etwas leistet. Und ob-
wohl er nun weiß, daß ich die Möglichkeit sukzessiver Auffassung auch in der
ersten und zweiten Dimension ausdrücklich anerkannt habe, dichtet er mir die neue
Behauptung an, ich nehme den Rhythmus ausschließlich für die dritte Dimension
'n Anspruch, nur Bewegung nach der Tiefe erfülle nach meiner Ansicht die strengen
Bedingungen dieses Gestaltungsprinzips! Er selbst erwähnt meine Bezeichnung

') Philosophische Vorträge, veröffentlicht von der Kantgesellschaft Nr. 15,
Berlin 1917.
 
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