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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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Goldschmidt, Hugo: Tonsymbolik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0005
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Tonsymbolik.

Von
Hugo Goldschmidt.

Unter Symbol wird ein »Kennzeichen, ein Sinnbild, d. h. ein An-
schauliches, Sinnliches, Besonderes« verstanden, »das ein Abstraktes,
Übersinnliches, Geistiges, einen Sinn vertritt, bedeutet, lebendig dar-
stellt und ausdrückt«x). Es ist im ersten Augenblick völlig unver-
ständlich, wie die Musik es anfängt, ein Abstraktes zu versinnbildlichen,
etwa die Begriffe Ehrgeiz, Zerknirschung, Reue, Frieden. So wie die
Tonmalerei ohne die Hilfe des Wortes, der Dichtung, des Pro-
gramms oder der Mimik, nur in einem kleinen Kreise akustischer
Nachbildungen sich betätigen kann, so ist die Tonsymbolik sogar fast
ausschließlich auf ein Zusammengehen mit den anderen Künsten oder
dem Programm angewiesen. Als absolute wird die Musik nur in
seltenen Fällen imstande sein, ein Symbol zu geben. Zu ihnen zählt
Bachs Begriffsbestimmung des Chaos durch ungeregelte Tonfolgen.
In Verbindung mit den anderen Künsten aber, insbesondere mit
der Dichtung, ist der Symbolik ein weites Gebiet der Betätigung er-
öffnet. Es ergibt sich schon hieraus, daß die Musik, wo sie sich
einem Symbol gegenüber sieht, sich an die Verstärkung derjenigen
-Vorstellungen halten muß, auf denen es beruht. Wenn die Kantaten-
dichter Bachs von der Zerknirschung des Sünders oder seiner Reue
sprechen und diesen Begriff an die Vorstellung des wankenden Schrittes
des vor Gott erscheinenden Sünders anknüpfen, so kann der Ton-
künstler eben nur dieses Bild des unsteten Schreitens durch Ton-
bildungen zu lebhafterer Anschauung bringen, als es die Dichtung
allein vermag. Dann stehen wir vor dem Übergreifen der Tonmalerei in
das Symbolische. Über diese Gattung der an Vorstellungen geknüpften
Symbolik hinaus kennt aber die Dichtung, insbesondere die religiösen
Inhalts, Symbole, die nicht auf so gearteten Vorstellungen beruhen,
also von keiner optischen oder akustischen Analogie begleitet sind.
Nehmen wir eines der berühmtesten Beispiele der kirchenmusikalischen

*) Eisler, Handwörterbuch der Philosophie unter Symbol.

Zeitschi-, f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XV.
 
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