BEMERKUNGEN. 45]
damit keinerlei entgegengesetzte Interessen aufkommen: Der dumme August muß
eine groteske Erscheinung sein, deren närrisches Gebaren, lächerlicher Anzug und
dummes Gesicht Mitleid von vornherein ausschließen. Er muß die Merkmale des
Törichten tragen, über das wir uns im Leben oft haben ärgern müssen und über
das wir vielleicht auch in Fällen triumphiert haben, wo das Recht nicht auf unserer
Seite war. Daher können wir uns mit dem Gegner identifizieren und uns über die
Niederlage des armen Tölpels freuen. Unsere kriegerischen Instinkte werden durch
den siegreichen Angriff geweckt und ihre Erregung läuft lustgemäß ab.
Die gleiche Freude an dem Verletzen des anderen finden wir in den komischen
Erzeugnissen der Völker in ihren frühen Entwicklungsstadien. Ich will hier einen
Bericht aus der Hansezeit erwähnen, der sich mit den Spielen der Deutschen in
Bergen von 147S bis zu Ende des 16. Jahrhunderts beschäftigt, ein Bericht, der also
nicht einmal aus einer ganz frühen Epoche stammt1).
Es handelte sich um Spiele, die bei der Aufnahme der im Kontor neuange-
kommenen Hanseaten veranstaltet wurden. — Da ist zunächst das »Rauchspiel«;
Butterfässer wurden mit Lohe, Tran, Holz, Unrat und alten Haaren gefüllt und an-
gezündet, während man den Neuaufzunehmenden an einem Strick darüber hinauf-
zog bis zur Höhe des Klappfensters im »Schütting« und geraume Zeit im Qualm
hängen ließ. Nachdem ihm Mund und Nase gehörig damit angefüllt waren,
wurden ihm Fragen vorgelegt, die er beantworten mußte; danach wurde er zur
Tür hinaus geführt und mit 6 Tonnen Wasser beschüttet, um den Rauch abzuspülen.
Nur einer, heißt es gemütvoll, sei bei dem Spiele erstickt. Die Neulinge wurden
weiterhin betrunken gemacht und auf einer Pritsche verprügelt, nachdem man ihnen
einen Teppich über den Kopf gebunden hatte, damit sie ihre Peiniger nicht er-
kannten; dazu wurde auf einem Becken getrommelt, um das Geschrei zu übertönen.
Es gab ferner noch ein Beichtspiel, ein Barbierspiel, das Pferdeken - Beslan,
Vinkenfangen, Swineken-Bräuen, Ankersmeden, Schinkenschniden, Endekenstricken
usw. Bei allen bildete Schlagen und Wehetun die Pointe.
Eine andere Art des komischen Ergötzens, die ebenfalls auf der Befriedigung
des Machttriebes beruht, ist der obszöne Witz. Wenn man erwägt, daß Sitte
und Anstand den Menschen in einer Art umspannen, die oft — und besonders auf
jugendliche und rohe Gemüter — einengend und bedrückend wirkt, so erscheint es
begreiflich, daß sich das Ich gehoben fühlt, sobald es diese Schranke durchbricht.
Bekannt ist die Ausdehnung und Beliebtheit dieser komischen Art im Volke und bei
der Jugend. Wer mit Kindern zu tun hat, weiß, wie ein einziges unanständiges
Wort oft genügt, um jubelnde Heiterkeit auszulösen.
Die Scherzart des Verletzens und des Obszönen bildet die Komik der Völker
in den Stadien der beginnenden Kultur, wie auch die der breiten Volksmassen.
Wir begegnen ihr beim Kasperle, dem Kölner Henesche, bei Till Eulenspiegel,
und dem Hans Wurst, den, als das literarische Moment die Oberhand gewann, der
alte Gottsched auf der Bühne der Neuberin in Leipzig verbrennen ließ. Bei den
romanischen Nationen finden wir diese Komik der Kampfinstinkte in den Spielen
des Arlechino, der Kolombine, des Pantalone usw. Die gleiche Struktur weisen die
Scherze von Poggios Facetien, Boccaccios Dekamerone und ihren Nachahmern auf.
Viel ist aus solchem volkstümlichen Humor in die Lustspiele des Venetianers
Goldoni, wie auch in die komischen Dichtungen Shakespeares und seiner Zeit-
genossen übergegangen.
') Die Spiele der Deutschen in Bergen. Von Privatdozent J. Harttung in
Tübingen. — In den Publikationen aus dem k. preuß. Staatsarchiv. Leipzig, bei
Hirzel 1878.
damit keinerlei entgegengesetzte Interessen aufkommen: Der dumme August muß
eine groteske Erscheinung sein, deren närrisches Gebaren, lächerlicher Anzug und
dummes Gesicht Mitleid von vornherein ausschließen. Er muß die Merkmale des
Törichten tragen, über das wir uns im Leben oft haben ärgern müssen und über
das wir vielleicht auch in Fällen triumphiert haben, wo das Recht nicht auf unserer
Seite war. Daher können wir uns mit dem Gegner identifizieren und uns über die
Niederlage des armen Tölpels freuen. Unsere kriegerischen Instinkte werden durch
den siegreichen Angriff geweckt und ihre Erregung läuft lustgemäß ab.
Die gleiche Freude an dem Verletzen des anderen finden wir in den komischen
Erzeugnissen der Völker in ihren frühen Entwicklungsstadien. Ich will hier einen
Bericht aus der Hansezeit erwähnen, der sich mit den Spielen der Deutschen in
Bergen von 147S bis zu Ende des 16. Jahrhunderts beschäftigt, ein Bericht, der also
nicht einmal aus einer ganz frühen Epoche stammt1).
Es handelte sich um Spiele, die bei der Aufnahme der im Kontor neuange-
kommenen Hanseaten veranstaltet wurden. — Da ist zunächst das »Rauchspiel«;
Butterfässer wurden mit Lohe, Tran, Holz, Unrat und alten Haaren gefüllt und an-
gezündet, während man den Neuaufzunehmenden an einem Strick darüber hinauf-
zog bis zur Höhe des Klappfensters im »Schütting« und geraume Zeit im Qualm
hängen ließ. Nachdem ihm Mund und Nase gehörig damit angefüllt waren,
wurden ihm Fragen vorgelegt, die er beantworten mußte; danach wurde er zur
Tür hinaus geführt und mit 6 Tonnen Wasser beschüttet, um den Rauch abzuspülen.
Nur einer, heißt es gemütvoll, sei bei dem Spiele erstickt. Die Neulinge wurden
weiterhin betrunken gemacht und auf einer Pritsche verprügelt, nachdem man ihnen
einen Teppich über den Kopf gebunden hatte, damit sie ihre Peiniger nicht er-
kannten; dazu wurde auf einem Becken getrommelt, um das Geschrei zu übertönen.
Es gab ferner noch ein Beichtspiel, ein Barbierspiel, das Pferdeken - Beslan,
Vinkenfangen, Swineken-Bräuen, Ankersmeden, Schinkenschniden, Endekenstricken
usw. Bei allen bildete Schlagen und Wehetun die Pointe.
Eine andere Art des komischen Ergötzens, die ebenfalls auf der Befriedigung
des Machttriebes beruht, ist der obszöne Witz. Wenn man erwägt, daß Sitte
und Anstand den Menschen in einer Art umspannen, die oft — und besonders auf
jugendliche und rohe Gemüter — einengend und bedrückend wirkt, so erscheint es
begreiflich, daß sich das Ich gehoben fühlt, sobald es diese Schranke durchbricht.
Bekannt ist die Ausdehnung und Beliebtheit dieser komischen Art im Volke und bei
der Jugend. Wer mit Kindern zu tun hat, weiß, wie ein einziges unanständiges
Wort oft genügt, um jubelnde Heiterkeit auszulösen.
Die Scherzart des Verletzens und des Obszönen bildet die Komik der Völker
in den Stadien der beginnenden Kultur, wie auch die der breiten Volksmassen.
Wir begegnen ihr beim Kasperle, dem Kölner Henesche, bei Till Eulenspiegel,
und dem Hans Wurst, den, als das literarische Moment die Oberhand gewann, der
alte Gottsched auf der Bühne der Neuberin in Leipzig verbrennen ließ. Bei den
romanischen Nationen finden wir diese Komik der Kampfinstinkte in den Spielen
des Arlechino, der Kolombine, des Pantalone usw. Die gleiche Struktur weisen die
Scherze von Poggios Facetien, Boccaccios Dekamerone und ihren Nachahmern auf.
Viel ist aus solchem volkstümlichen Humor in die Lustspiele des Venetianers
Goldoni, wie auch in die komischen Dichtungen Shakespeares und seiner Zeit-
genossen übergegangen.
') Die Spiele der Deutschen in Bergen. Von Privatdozent J. Harttung in
Tübingen. — In den Publikationen aus dem k. preuß. Staatsarchiv. Leipzig, bei
Hirzel 1878.