Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Utitz, Emil: Das Problem einer allgemeinen Kunstwissenschaft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0439

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
X.

Das Problem
einer allgemeinen Kunstwissenschaft1).

Von

Emil Utitz.

Kants ästhetische Anschauungen begegnen gemeinhin zwei Ein-
bänden: man wirft ihnen Formalismus vor und bemängelt, daß Kants Be-
griff des re;n Ästhetischen sich nicht auf die Gesamtheit der Kunst aus-
dehnen lasse. Was nun den ästhetischen Formalismus anlangt, ist er
Gegenstand so zahlreicher Mißverständnisse geworden, daß schon eine
Schlichte Sinnklärung durch Abstreifung aller Vieldeutigkeiten eine sehr
angehende Untersuchung verlangen würde, in die wir hier nicht ern-
teten können. Schwerer wiegt — in diesem Zusammenhange — das
2Weite Bedenken. Aber Kant selbst will ja gar nicht die Kunst als
solche der »reinen« Schönheit zuordnen, sondern prägt den seltsamen
üegriff der »anhängenden« Schönheit. Und der »ruhigen« Kontem-
plation stellt er dort, wo er von dem Erhabenen spricht, die »bewegte«
Kontemplation gegenüber. Das Erhabene selbst erscheint gleichsam
^'e ein Bürger zweier Welten: es hat Anteil an dem Ästhetischen,
aber ebenso an dem Ethischen. In dieser eigenartigen Problematik
'ritt uns eigentlich die ganze Kunst entgegen, soweit sie die Grenzen
der reinen Schönheit überschreitet. Außerästhetisches fließt in sie ein,
bedingt ihre Gestaltung, und zwar nicht zufällig, sondern wesensgemäß.
Es gehört zu den wunderlichsten wissenschaftlichen Schicksalen,
daß diese entscheidende Frage — die ich hier schärfer formuliert habe,
^'s sie bei Kant vorliegt, obgleich sie deutlich genug da auffindbar
ls* — zunächst und auf lange Zeit hinaus nicht aufgegriffen wurde.
Man wollte und konnte sie nicht sehen, weil sie überdeckt war von
einem anderen Problem, dem ein geradezu leidenschaftliches Interesse
etltgegenschlug: durch die Autonomie des Ästhetischen und seines
'deals — des Schönen — wähnte man die Autonomie der Kunst ge-
schert. Wie sehr etwa auch Schiller mit seiner Scheidung von naiver

') Vortrag, gehalten auf der Pfingsttagung der Kant-Gesellschaft zu Halle a. d. S
1922.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allff. Kunstwissenschaft. XVI. 28

\
 
Annotationen