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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Menzer, Paul: Kunst und Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0155

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KUNST UND ERZIEHUNG.

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nisses die Frage nach seiner pädagogischen Wirkung zu beantworten.
Beseelte Anschauung und Gefühl sind für es charakteristisch und so
kann es zuerst als eine Ergänzung zu einer intellektualistischen Er-
ziehung dienen im Sinne des Ideals eines allseitig gebildeten Menschen.
So ordnen sich die kunsterzieherischen Tendenzen unserer Zeit in die
große geistige Bewegung ein, die zum Leben führen wollen. Nietzsche,
der Rembrandtdeutsche sind die Vorkämpfer, später tritt Lichtwark
auf. Er strebt in erster Linie ein höheres Kunstverständnis an. Dann
aber will er die ästhetische Erziehung eingliedern in die Gesamter-
ziehung des deutschen Volkes.

Von pädagogischer Seite betrachtet entsteht die Frage nach den
erzieherischen Werten des künstlerischen Genießens. Zweifellos liegen
in ihm Gefahren, es hat oft einen egozentrischen Charakter. Ergänzend
tritt die Einsicht hinzu, daß Kunst eine Bereicherung der Wirklichkeit
ist, entweder durch eine Steigerung der in der Wirklichkeit schon ge-
legenen Elemente oder durch Bereicherung aus wertvollen Inhalten.
In letzterem Fall ist die Frage leicht zu entscheiden, in ersterem ist an
eine Vertiefung des Schauens durch die Kunst zu denken. Der Künst-
ler erscheint hier als Vorempfinder. Das Entscheidende ist, daß eine
formende Seele die Gebilde der Kunst erst zu dem macht, was sie
sind. Der Formgedanke muß also in den Vordergrund gerückt werden.
Kunst ist geformter Stoff und die Form hat dem Inhalt gegenüber eine
gewisse Selbständigkeit und ihre Aneignung durch die Seele ist eine
besondere. Sie ist eine anschaulich-gefühlsmäßige und kann niemals
rein verstandesmäßig aufgelöst werden. So entsteht die Frage, wie die
Gefahren einer einseitigen Gefühlsausbildung vermieden werden können.

Diese Gefahren liegen in der Unbestimmtheit des Gefühles und in
seiner Unersättlichkeit. Das ästhetische Gefühl muß, wenn es er-
zieherisch wirken soll, ein Festhaltendes in sich tragen. Dieser Erfolg
ergibt sich aus der Tatsache, daß das Gefühl des ästhetisch Genies-
senden unter der Botmäßigkeit des Kunstwerkes steht, das in seiner
Form eine Bindung für die erfassende Seele hat. Diese Bindung ist
aber kein Zwang. Vielmehr liegt zugleich eine gewisse Aktivität im
Aneignen des Kunstwerkes durch den Genießenden. Pädagogisch
könnte diese Wirkung durch die Formel: Autorität und Freiheit aus-
gedrückt werden. So empfand Goethe gegenüber den Meisterwerken
der Antike.

Vom Standpunkt pädagogischer Zielsetzung wäre nun eine Be-
stimmung über das Wesen der Kunst erwünscht. Man könnte versucht
sein, von einer Idee des Schönen auszugehen. Das ist unmöglich. Auf
eine inhaltliche Formulierung muß verzichtet werden. Vielmehr läßt
sich von dem neutralen Charakter der Kunst gegenüber ihren Inhalten
 
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