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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Drost, Willi: Form als Symbol
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0390

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378

LUDWIG COELLEN. FORM ALS SYMBOL.

scheint unmittelbar als der Grund an sich, wie er zu seinem Dasein
wird.

Ich kann hier nur andeuten, daß dies nicht etwa bloße Behauptung
ist, sondern sich phänomenologisch darstellt in einer Zuordnung von
Zeit und Raum, welche in allen Künsten, selbst in der Musik, die
Formgenese zur Erscheinung, zur Gestalt bringt: in der Dauer des
Formens entsteht hier die räumliche Bestimmtheit des Geformten. Die
funktionale Unterordnung der Raumbestimmtheit unter die Dauer ist
das fundamentale Erscheinungsgesetz der Kunstform. Darin äußert sich
jene Ausschaltung der Ichwelt, der eine andere Zuordnung von Zeit
und Raum entspricht.

Ist der Grund also Realgrund des gestalteten Daseins, so heißt
das, er hat die Dignität des unendlichen Weltgrundes. Dadurch aber ge-
winnt die Formgenese den Charakter der Totalität: das formgenetisch
offenbar werdende Sichentäußern und Sichbegrenzen des unendlichen
Grundes zu einer Mannigfaltigkeit sinnlichen Daseins macht das Kunst-
werk zur in sich beschlossenen Welt, zu einer Totalität.

Das Werk der bildenden Kunst beispielsweise ist in eminentem
Sinne Raumgenese. Die Quelle des Daseins erscheint hier in der An-
schauung als Raumleben, und da sie unendliche Quelle ist, wächst
dieses potentiell unbegrenzte Raumleben in einer Mannigfaltigkeit von
Einzelformen, in einer Ordnung von sinnlich gegenständlich bestimmten
Raumwerten auf zu einem Totalraum. Das Ganze hat den Charakter
der Raumtotalität. Das Werk der bildenden Kunst ist die lebendig
genetische Synthese der Raumtotalität und der sie konstituierenden
Einzelformen zur Einheit einer endlichen, sinnlich erfüllten Raumgestalt.

So haben wir jene Urpolarität festgestellt, welche die Urkategorie
der Kunstform bildet: die Formtotalität und eine Mannigfaltigkeit sinn-
lich gegenständlichen Daseins. Beide Pole werden in genetischer
Synthese als dasselbe gesetzt und erscheinen so als Werkgestalt. Der
Sinn ist der anschaulich offenbar gewordene Ursprung des Natur-
daseins aus dem unendlichen Weltgrund.

Ich weise noch kurz darauf hin, daß damit für die Kunstform zu-
gleich der Charakter des Organismus abgeleitet ist: als der Grund,
als die Energie des Formlebens durchströmt und erfüllt die Totalität
alles Einzelförmliche des Kunstwerks, und umgekehrt wächst das Ein-
zelförmliche auf zur Totalität als Gestalt — die spezifische Einheits-
ordnung des Organismus.

Es gründet sich aber eine solche Organismusordnung auf das Indi-
vidualprinzip. Der Begriff des Organismus ist wesentlich bestimmt
durch dieses Prinzip: das Organismusglied ist Individuum. Die Glieder
haben in bezug auf das Ganze den Charakter von Individualwerten.
 
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