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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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Bruch, Bernhard: Novelle und Tragödie: Zwei Kunstformen und Weltanschauungen: (Ein Problem aus der Geistesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0306
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NOVELLE U. TRAGÖDIE: ZWEI KUNSTFORMEN U. WELTANSCHAUUNGEN. 293

Da alle Form nur Ausdruck von Geistigem und Sittlichem ist, gilt
diese Untersuchung selbstverständlich ganz ebensosehr dem Formal-
Ästhetischen wie dem Sittlichen und Weltanschaulichen, das in der
Kultivierung jener modernen Novellenform im IQ. Jahrhundert seinen
Ausdruck gefunden hat.

Die hier behandelten Teile des Gesamtproblems1) beschränken sich
nur auf das Grundsätzlichste und Wesentlichste im Verhältnis der zwei
Formen zueinander. Sie betreffen einerseits ihre innerste Gegensätzlich-
keit im Weltanschaulichen, insbesondere in ihrer entscheidenden
Stellung zum Tragischen. Anderseits umreißen sie wenigstens die
wichtigsten Grundzüge der allgemeinen ästhetischen Struktur von
Novelle und Tragödie, wie sie sich vor allem in den sehr verschiedenen
formalen Zielpunkten ausspricht, auf deren ästhetische Erfüllung hin
in den beiden Formen der gesamte Aufbau innerlich gerichtet ist. Alle
Ausführungen über Einzelfragen des Aufbaus indessen, wie über Gliede-
rung, besondere Darstellungsmittel usw. müssen an dieser Stelle gegen-
über der Herausarbeitung jenes allgemeinen und grundlegenden welt-
anschaulich-ästhetischen Strukturverhältnisses der zwei Formen zu-
einander zurücktreten. Über solche Dinge mögen kurze gelegentliche
Andeutungen genügen.

Den Eingang bilden einige allgemeine Erwägungen über das Ver-
hältnis von Kunstformen und gewissen charakteristischen Arten der
Weltauffassung überhaupt. Sie geben die Richtung an, in der sich die
Problemstellung für die ganzen vergleichenden Formuntersuchungen
wird bewegen müssen.

II. Kunstformen und Weltanschauungen.

Das dichterische Kunstwerk ist Darstellung von Welt, Bild der Welt.
Darin liegt nun die eigentümliche Doppelheit seines Wesens gegründet,
als Bild der Welt zugleich nur Teil und dennoch ein Ganzes zu sein
und das Ganze auch zu enthalten. Immer nur Darstellung eines aus-
gewählten Teiles aus der Ganzheit des Lebens ist zunächst das Kunst-
werk seinem Inhalte, seinem einfachen Stoffe nach, weiterhin aber auch
durch seinen individuellen geistigen Gehalt, durch die eigentümlich
besondere, ihm zugrunde liegende und es hervorbringende geistige Kraft
und Wesensart. Immer enthält und begreift damit das Kunstwerk nur
solche wenigen, und, vom Standpunkte des Ganzen aus, sozusagen

') Die vorliegenden Ausführungen sind als vorläufige Teilveröffentlichung aus
dem Rahinen einer bereitliegenden größeren Gesamtdarstellung anzusehen, deren
Drucklegung einem späteren Zeilpunkt vorbehalten bleiben muß.
 
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