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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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Duve, Helmuth: Das Bewegungsprinzip in der Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0451
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XV.

Das Bewegungsprinzip in der Skulptur.

Von

Helmuth Duve.

Wenn in der skulpturalen Kunst die Rede ist von Bewegung, so
kann diese auf zweierlei Weise zur Erscheinung kommen: durch den
Eindruck des Objektes, das durch seine Haltung bewegt erscheint, oder
durch den ihm innewohnenden Ausdruck, von dem das auffassende
Subjekt, indem es ihn nacherlebt, innerlich sich bewegt fühlt.

Im ersteren Falle sprechen wir von extensiver Bewegung, wo-
bei zu beachten ist, daß die Bewegung in der Skulptur ja beidenfalls
nicht realiter gegeben ist, sondern auf Illusion beruht, ebenso wie die
Raumanschauung bei Betrachtung eines Gemäldes. Überblicken wir
aber die plastischen Phänomene aller Zeiten, so entspricht den alt-
ägyptischen Monumentalskulpturen, die in engster Anlehnung an die
Architektur künstlerisch erdacht sind, das Prinzip der völligen
Ruhe, womit die symmetrische Geschlossenheit in der Komposition
und die Frontalwirkung der Gestalt zusammenhängt. Abgesehen von
naturalistisch gegebenen Bewegungsmomenten, wie sie die durch das
Imitative bestimmte Volkskunst (Dorfschulze) aufweist, wird das Wesen
der dekorativen Plastik im altägyptischen Bereich gekennzeichnet durch
das Moment völliger Unbewegtheit, durch eine eindrucksvolle Statik,
welche in ihrer künstlerischen Erscheinungsform die über alles raum-
zeitliche Geschehen erhobene, alle Menschen umfassende religiöse Idee
versinnbildlicht. Ein Beispiel solch erhaben ruhiger Erscheinung sind
die Kolossalstatuen vor dem Tempel Amenophis' III. in Theben oder
die gewaltige Sphinx bei den Pyramiden des Chephren, Symbole einer
jenseits von Werden und Vergehen beharrenden, überweltlichen Geistes-
macht. Die menschliche Gestalt ward hier über das Wirklichkeitsmaß
hinaus gesteigert, monumental gestaltet; alles Besondere und Zufällige
an ihr, ihre charakteristische Haltung, sogar ihre typisch anatomische
Struktur wurde unterdrückt. Ein modernes Beispiel solcher Statuarik
ist das Bismarckmonument Hugo Lederers in Hamburg, in welchem
das Machtprinzip des Staates überzeugend sich verkörpert.

Die Konsistenz der gestalteten Form, ihr kubisches Wesen, wird
 
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