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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0522
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BESPRECHUNGEN.

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und anderes). Nur daß das Geschichtliche doch stellenweise zum Papalen wird, so
wenn Pastor schlechthin von dem dem Großen und Erhabenen geweihten Ponti-
fikat von Julius II. spricht (S. 37), so erfreulich es ist, daß nicht ausschließlich der
kirchengeschichtliche Maßstab angelegt erscheint. Auch die Verdienste der Päpste um
die den Kunstwerken zugrundeliegenden Ideen werden doch hinaufgeschraubt (S. 28,
124, 127), so z. B. wenn es heißt (S. 54), Clemens VII. gebühre das Verdienst, den
glänzenden Vorwurf für Michelangelos Jüngstes Gericht ersonnen zu haben. Dieser
Vorwurf lag doch wirklich recht nahe, rein theologisch, besonders wenn man das
Thema der vorausgehenden Sixtinafresken ins Auge faßt, wie auch geschichtlich in
Hinsicht auf die Gerichtsdarstellungen in der mittelalterlichen Kunst. Andere Belege
noch: S. 132, Z. 10—13; S. 140, Z. 13—15; S. 155 wird die Meinung vertreten, der
Saal Konstantins würde besser den Namen des Papstes Sylvester tragen, und S. 143
wird Leosaal vorgeschlagen. Den freilich nicht durchaus gesicherten Beitrag des
Verfassers zur Aufhellung der Beziehungen zwischen der Zeitgeschichte und dem
Inhalt der Fresken (Sixtina: Pharaos Untergang gegen Steinmann gedeutet; Stanza
dell' Eliodoro, Stanza dell' Incendio) läßt ein Vergleich mit Burckhardts Cicerone
(Neudruck der Urausgabe z. v. S. S66 ff.) erkennen, aus dem Pastor manches an
Formalem geschöpft, auch dort wo es nicht ausdrücklich angegeben ist (z. B. Pastor
S. 40 vgl. mit Cicerone S. 826, Pastor S. 152 mit Cicerone S. 872).

Wer mit der katholischen Theologie vertraut ist, der fühlt es, mit welcher Wärme
und Liebe der Verfasser das Theologische behandelt, das er gern in Exkursen dar-
legt. Bei der Deutung der Kunstwerke stellt er es über das Zeitgeschichtliche: »Zum
vollen Verständnis ist es unbedingt nötig, über die ausschließlich historische Auf-
fassung mancher Szenen hinauszugehen und die dem Ganzen zugrunde liegenden
theologischen Gedanken scharf ins Auge zu fassen« (S. 22). Das ist der Kanon für
die Deutung der Sixtinafresken, besonders auch für die Deutung der Disputä
(S. 99 ff., 112 ff.). Auch der Schule von Athen wird eine theologische Beziehung
gegeben, die an eine beliebte Deutung von Dürers Melancholie erinnert (S. 97 f.,
120 ff.). Es wurde schon gesagt, die theologische -Füllung« ist ein Vorzug der Be-
trachtungsweise des Verfassers. Seine Vertrautheit mit der katholischen Theologie
läßt die vatikanischen Bildwerke ihr ganzes Leben offenbaren. Doch scheint mir da
und dort das Theologische in das Künstlerische hineinzuwuchern: in die Beschrei-
bung (S. 105, Z. 5—8), auch in die Wertung (S. S7, Z. 7 u. f.); am meisten aber in
die Deutung (S. 42 f.; 71, Z. 3-7; 73, Z. 3; 75, Z. 12 f.; 97; 107 f.; 113 Disputä-
Komposition; 121 Komposition der Schule von Athen). Justi aber folgte Pastor nicht.

Was sich aber vom kunstwissenschaftlichen Standpunkt aus am peinlichsten
fühlbar macht, das ist der übermäßige Gebrauch des Superlatives bei Charakteri-
sierungen und Wertungen. Dazu kommt noch die nach einer veralteten Art vorge-
nommene, die Werke allzusehr aus dem Entwicklungszusanimenhang lösende Heraus-
stellung von Höchstleistungen, die nahezu an Rekordaufstellungen erinnert (S. 12,
Z. 18—21; 17, Z. 19—23; 43, Z. 8-11; 100: hier [= Disputä] hat Raffael vielleicht
das schönste Christusbild auf Erden geschaffen. S. 125: Es [= Camera della Segnatura]
ist das größte, was Raffael bis dahin hervorgebracht und vielleicht auch die höchste
Leistung der christlichen Malerei). Als Beispiel geschichtlicher Betrachtungsweise
wäre etwa zu nennen Schlosser, Giustos Fresken in Padua und die Vorläufer der
Stanza della Segnatura im Jahrbuch des Allerhöchsten Kaiserhauses 17 (1896). Raffael
wird gepriesen als der genialste christliche Künstler (S. 98), als der genialste christ-
liche Maler (S. 141), ein andermal ist die Rede von dem »Zauberreich der genialen
Schöpfungen des göttlichen Urbinaten« (S. 141). Ein Beispiel für sich: Die Musen
im Parnaß werden geschildert als Gestalten von höchster Anmut und Grazie (S. 89),
 
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