SPRACHE UND RHYTHMUS DER SPÄTEN HYMNEN HÖLDERLINS. 287
Setzung« wird das Wort in gegenrhythmischer Funktion zur Kenn-
zeichnung der reinen gedanklichen Aufteilung und Abgrenzung ge-
braucht, während das Wort in > retardierender« Verwendung der Her-
vorhebung des Gedankens selbst durch Markierung wichtiger Bestand-
teile in ihm dient. Das Wort als abschließendes Element und das
Fehlen des Auftakts finden in der einen wie der anderen Weise ihre
Anwendung.
So aber birgt der Rhythmus als Träger eines rein inneren gedank-
lichen Verlaufs die Möglichkeit einer stark gebundenen Form in sich,
die in ihrer Strenge und Härte seine Freiheit bändigt und aus gelösten
Formen Gebilde größter äußerer Klarheit und innerer Spannung schafft.
Hölderlins Verhältnis zur Klassik und Romantik.
Als wesentlichste formale Momente der Hymnen ergeben sich:
Sachlichkeit des Sprachstils einerseits und Gebundenheit der metri-
schen Form, überhaupt der gesamten Tektonik auf der anderen Seite.
Beide aber sind gegründet auf die eigentümliche Gestalt Hölderlinscher
Religiosität, die ihn zu ehrfürchtiger Distanz der Welt gegenüber ver-
pflichtete. Die Stilform, als künstlerischer Ausdruck dieses Distanz-
gefühles, nahm jener Welt, wie der Dichter sie sah, das Persönliche,
Gefühlsmäßige und gab ihr eine allgemeingültige, objektive Prägung.
Schon diese Tatsache genügt, um Hölderlin außerhalb romantischer
Dichtung zu stellen. Sie zeigt aber auch, wie eng die »Stilfrage« mit
dieser Abgrenzung zusammenhängt.
Hellingrath ist der erste, der auf Grund des Stil-Problems Höl-
derlin in schärfsten Gegensatz zur Romantik gestellt hat. Von ihm aus-
gehend soll zuerst eine allgemeine Charakterisierung romantisch-lyri-
scher Form erfolgen. Nach Hellingrath ist ihr Wesen »glatte Fügung«
— ap[iovta fXtrfupa nennt es die griechische Rhetorik -, d. h. taktische
Einheit ist der Vers, meist ein Bild oder einen gedanklichen Zusammen-
hang umfassend, der mit der Verszeile schließt. Hellingrath nennt diese
Reimzeile ein gerundetes Bild von einheitlichem Stimmungsgehalt. Die
Form ist also ttsosi, der inneren Vorstellung, der Idee nach, nicht p&oet,
dem natürlichen Gesetz der Sprachmaterie nach bestimmt. -Die innere
Vorstellung — man mag es Stimmung oder das Poetische oder sonst-
wie nennen«, wird erweckt durch etwas, das nicht wahrnehmbar in den
Worten liegt, sondern gleichsam darüber, über der gesamten Reimzeile.
Diese Form zeigt eine Tendenz zur Vergeistigung, die nicht nur das
') Hellingrath, Pindarübertragungen von Hölderlin, Jena 1911.
Setzung« wird das Wort in gegenrhythmischer Funktion zur Kenn-
zeichnung der reinen gedanklichen Aufteilung und Abgrenzung ge-
braucht, während das Wort in > retardierender« Verwendung der Her-
vorhebung des Gedankens selbst durch Markierung wichtiger Bestand-
teile in ihm dient. Das Wort als abschließendes Element und das
Fehlen des Auftakts finden in der einen wie der anderen Weise ihre
Anwendung.
So aber birgt der Rhythmus als Träger eines rein inneren gedank-
lichen Verlaufs die Möglichkeit einer stark gebundenen Form in sich,
die in ihrer Strenge und Härte seine Freiheit bändigt und aus gelösten
Formen Gebilde größter äußerer Klarheit und innerer Spannung schafft.
Hölderlins Verhältnis zur Klassik und Romantik.
Als wesentlichste formale Momente der Hymnen ergeben sich:
Sachlichkeit des Sprachstils einerseits und Gebundenheit der metri-
schen Form, überhaupt der gesamten Tektonik auf der anderen Seite.
Beide aber sind gegründet auf die eigentümliche Gestalt Hölderlinscher
Religiosität, die ihn zu ehrfürchtiger Distanz der Welt gegenüber ver-
pflichtete. Die Stilform, als künstlerischer Ausdruck dieses Distanz-
gefühles, nahm jener Welt, wie der Dichter sie sah, das Persönliche,
Gefühlsmäßige und gab ihr eine allgemeingültige, objektive Prägung.
Schon diese Tatsache genügt, um Hölderlin außerhalb romantischer
Dichtung zu stellen. Sie zeigt aber auch, wie eng die »Stilfrage« mit
dieser Abgrenzung zusammenhängt.
Hellingrath ist der erste, der auf Grund des Stil-Problems Höl-
derlin in schärfsten Gegensatz zur Romantik gestellt hat. Von ihm aus-
gehend soll zuerst eine allgemeine Charakterisierung romantisch-lyri-
scher Form erfolgen. Nach Hellingrath ist ihr Wesen »glatte Fügung«
— ap[iovta fXtrfupa nennt es die griechische Rhetorik -, d. h. taktische
Einheit ist der Vers, meist ein Bild oder einen gedanklichen Zusammen-
hang umfassend, der mit der Verszeile schließt. Hellingrath nennt diese
Reimzeile ein gerundetes Bild von einheitlichem Stimmungsgehalt. Die
Form ist also ttsosi, der inneren Vorstellung, der Idee nach, nicht p&oet,
dem natürlichen Gesetz der Sprachmaterie nach bestimmt. -Die innere
Vorstellung — man mag es Stimmung oder das Poetische oder sonst-
wie nennen«, wird erweckt durch etwas, das nicht wahrnehmbar in den
Worten liegt, sondern gleichsam darüber, über der gesamten Reimzeile.
Diese Form zeigt eine Tendenz zur Vergeistigung, die nicht nur das
') Hellingrath, Pindarübertragungen von Hölderlin, Jena 1911.