DAS DOPPELEMPFINDEN IN DER GEISTESGESCHICHTE.
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2. kann auf einen peripherischen Reiz und die ihm folgende oder
zugehörige (homogene) Empfindung eine bloße Vorstellung aus einem
anderen Sinnesbereich folgen (das Rot wird zum Klange der Trompete
bloß vorgestellt);
3. kann sich der unter „1" angeführte Vorgang ganz in der Vor-
stellung oder Erinnerung vollziehen, d. h. sowohl die primäre als auch
die sekundäre Sinnesqualität unabhängig von einem Außenreiz in die
Vorstellung treten (einer, der sich Trompetenklang vorstellt oder an
Trompetenklang „denkt", denkt unwillkürlich auch an die rote Farbe
oder stellt sich ein Rot dazu vor);
4. kann sogar die bloße Vorstellung einer bestimmten Sinnesqualität,
der bloße „Gedanke" an sie, eine andersartige von der Realität einer
tatsächlichen Empfindung hervorrufen, also die Rolle des peripherischen
Reizes übernehmen; wie dies z. B. bei Gehörsvisionen Tauber und Ge-
sichtserscheinungen Blinder2) der Fall sein kann, oder — um ein näher-
liegendes Beispiel zu geben: wie jemand bei der bloßen Vorstellung ge-
wisser Speisen oder Gerüche salzige und ähnliche Geschmacksempfin-
dungen haben kann (einer „denkt" an Trompetenklang und sieht da-
bei Rot).
Lassen wir den 3. und 4. Fall (der Variationsordnung halber) den
Platz tauschen, so ergibt sich uns folgendes Schema:
1. Doppel-Empfindung (Empfindung + Empfindung)] m.
2. Folge-Vorstellung (Empfindung + Vorstellung) |
3. Folge-Empfindung (Vorstellung + Empfindung) j
4. Doppel-Vorstellung (Vorstellung + Vorstellung) J
Als allein maßgeblich ist ursprünglich — wie schon die Namen-
gebung verrät — der extreme (1.) Fall von realem Doppel-Empfinden
(der sich in dem nunmehr 3. Fall typologisch ergänzt) betrachtet wor-
den; er kann aber heute nurmehr die Sonderstellung eines Ausnahme-
und Grenzfalls von allerdings besonderer Bedeutung behaupten. Bei
der Analyse der in der Geistesgeschichte überlieferten Beispiele, ja auch
bei der Mehrzahl der sog. klinischen Fälle, ergibt sich nämlich als die
eigentlich typische Erscheinung nur die (regelmäßige oder gar zwangs-
peripheri-
schen Reiz.
periences d'Optique et d'Acoustique, Memoires de Trevoux 1735, p. 1832 f.).
Woolhouse gebührt das Verdienst, als erster hierin das psychologische Phäno-
men erkannt zu haben (vermutlich im 2. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts).
2) Ein sehr überzeugendes Beispiel hierfür gibt der erblindete Musiker Paul
D ö r k e n in Hamburg. S. bei G. A n s c h ü t z: Farbe-Ton-Forschungen I (Leip-
zig 1927) S. 13. — „Die Fähigkeit des Reproduzierens oder Produzierens
der Photismen auch ohne tatsächliche Einwirkung von Tönen" führt A n s c h ü t z
<S. 10) allgemein als zu einem „optimalen" Fall von Synopsie gehörig an.
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2. kann auf einen peripherischen Reiz und die ihm folgende oder
zugehörige (homogene) Empfindung eine bloße Vorstellung aus einem
anderen Sinnesbereich folgen (das Rot wird zum Klange der Trompete
bloß vorgestellt);
3. kann sich der unter „1" angeführte Vorgang ganz in der Vor-
stellung oder Erinnerung vollziehen, d. h. sowohl die primäre als auch
die sekundäre Sinnesqualität unabhängig von einem Außenreiz in die
Vorstellung treten (einer, der sich Trompetenklang vorstellt oder an
Trompetenklang „denkt", denkt unwillkürlich auch an die rote Farbe
oder stellt sich ein Rot dazu vor);
4. kann sogar die bloße Vorstellung einer bestimmten Sinnesqualität,
der bloße „Gedanke" an sie, eine andersartige von der Realität einer
tatsächlichen Empfindung hervorrufen, also die Rolle des peripherischen
Reizes übernehmen; wie dies z. B. bei Gehörsvisionen Tauber und Ge-
sichtserscheinungen Blinder2) der Fall sein kann, oder — um ein näher-
liegendes Beispiel zu geben: wie jemand bei der bloßen Vorstellung ge-
wisser Speisen oder Gerüche salzige und ähnliche Geschmacksempfin-
dungen haben kann (einer „denkt" an Trompetenklang und sieht da-
bei Rot).
Lassen wir den 3. und 4. Fall (der Variationsordnung halber) den
Platz tauschen, so ergibt sich uns folgendes Schema:
1. Doppel-Empfindung (Empfindung + Empfindung)] m.
2. Folge-Vorstellung (Empfindung + Vorstellung) |
3. Folge-Empfindung (Vorstellung + Empfindung) j
4. Doppel-Vorstellung (Vorstellung + Vorstellung) J
Als allein maßgeblich ist ursprünglich — wie schon die Namen-
gebung verrät — der extreme (1.) Fall von realem Doppel-Empfinden
(der sich in dem nunmehr 3. Fall typologisch ergänzt) betrachtet wor-
den; er kann aber heute nurmehr die Sonderstellung eines Ausnahme-
und Grenzfalls von allerdings besonderer Bedeutung behaupten. Bei
der Analyse der in der Geistesgeschichte überlieferten Beispiele, ja auch
bei der Mehrzahl der sog. klinischen Fälle, ergibt sich nämlich als die
eigentlich typische Erscheinung nur die (regelmäßige oder gar zwangs-
peripheri-
schen Reiz.
periences d'Optique et d'Acoustique, Memoires de Trevoux 1735, p. 1832 f.).
Woolhouse gebührt das Verdienst, als erster hierin das psychologische Phäno-
men erkannt zu haben (vermutlich im 2. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts).
2) Ein sehr überzeugendes Beispiel hierfür gibt der erblindete Musiker Paul
D ö r k e n in Hamburg. S. bei G. A n s c h ü t z: Farbe-Ton-Forschungen I (Leip-
zig 1927) S. 13. — „Die Fähigkeit des Reproduzierens oder Produzierens
der Photismen auch ohne tatsächliche Einwirkung von Tönen" führt A n s c h ü t z
<S. 10) allgemein als zu einem „optimalen" Fall von Synopsie gehörig an.