Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

DOI Artikel:
Heilbronn, Magda: Kants Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, die Umkehrung desselben, seine Beziehung zur bildenden Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0068
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bemerkungen.

Kants Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, die Umkehrung
desselben, seine Beziehung zur bildenden Kunst.

Von

Magda Heilbronn.

Als Kant seine Sätze über den Schematismus des reinen Verstandes ersann,
beging seine klare Natur eine ihrer aufrichtigsten und menschlichsten Taten. Sinn-
lichkeit und Verstand hatte er mit dem festen Gewissen der Notwendigkeit aus dem
menschlichen Wesen herausgespalten und beide bis in ihre letzten apriorischen For-
men auseinandergetrieben. Dann aber gab er dem eignen Gemüte Recht, das ihm
die beiden Kräfte vereint als den unversehrten Quellgrund aller seiner deduktiven
Ströme bewahrte und setzte dieser Einheit seines Wesens ein rücksichtslos wahres
Denkmal, indem er die eben unter äußerster Anstrengung getrennten Kräfte der
Sinnlichkeit und des Verstandes mit dem Schematismus der reinen Verstandes-
begriffe wieder zusammenband.

Zur Charakterisierung der philosophischen Sachlage in dem Augenblick, als
Kant den Schematismus der reinen Verstandesbegriffe schuf, seien zwei Sätze
zitiert, die, nur wenige Seiten voneinander entfernt, bei der Zusammenfügung das
Problem kurz und klar benennen: „Wir können uns keinen Gegenstand denken,
ohne durch Kategorien; wir können keinen gedachten Gegenstand erkennen,
ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen." „Nun sind aber reine
Verstandesbegriffe in Vergleichung mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen) An-
schauungen ganz ungleichartig und können niemals in irgend einer Anschau-
ung angetroffen werden. Wie ist nun die Subsumtion der letzteren unter die erste,
mithin die Anwendung der Kategorie auf Erscheinung möglich ...?"

Die Lösung dieses Problems legt Kant in den wichtigen Satz: Die „Vorstellung
nun von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft, einem Begriff sein Bild
zu verschaffen, nenne ich das Schema zu diesem Begriffe ...". Er schließt dann,
illustrierender Weise, Einzelbeispiele für das Wirken des Schematismus an und ver-
folgt dies „Verfahren der Einbildungskraft" durch den Kreis der Kategorien, um
es zu einer letzten Definition zu führen als „Zeitbestimmung a priori nach Regeln."

Nach der großen Mühe der Beweisführung für die logische Möglichkeit seiner
Begriffe rechtfertigte Kant den Schematismus in der für ihn nicht minder zwingen-
den, obgleich nicht-logischen, Begründung: „Dieser Schematismus unseres Verstan-
des in Ansehung der Erscheinungen und ihrer bloßen Form ist eine verborgene
Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur
schwerlich jemals abraten und sie unverdeckt vor Augen legen werden."

Die philosophische Bedeutung dieser Gedanken Kants liegt in der Verkettung
zweier zu abstrakter Ruhe isolierter Vorstellungen — Verstandesbegriff und An-
schauung — durch ein „Verfahren". Ein Verfahren der Einbildungskraft, das heißt
 
Annotationen