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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0362
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Besprechungen.

Wilhelm Pinder, Das Problem der Generation in der Kunst-
geschichte Europas. Berlin 1926, Frankf. Verlagsanstalt.
Wilhelm Pinders Buch, den meisten unserer Leser gewiß schon bekannt, soll
hier einer kritischen Betrachtung unterworfen werden, die einer hohen Wertschät-
zung entspricht.

Der Ausgangspunkt des Buches ist Zweifel an dem Begriff einer allein gültigen
Zeit mit ihrem einheitlichen Fortschritt. Dieser Zweifel wird weder metaphysisch
begründet, wie es im Anschluß an die Relativitätstheorie mehrfach, z. B. von Her-
mann Weyl versucht wurde, noch erkenntniskritisch oder erkenntnispsychologisch
gesichert, etwa in der Art Simmeis und Bergsons. Aus dem Mangel philosophischer
Grundlegung erklärt es sich wohl, daß nicht scharf genug zwischen dem Zeitbegriff
des Historikers und der empirischen Zeitvorstellung des erlebenden Menschen unter-
schieden wird. Pinder meint, alles einreihige Datieren von Kunstwerken sei deshalb
unzulänglich, „weil ja jeder geschichtliche ,Augenblick' von Menschen ganz verschie-
dener eigener Geschichtsdauer erlebt wird und für jeden etwas anderes bedeutet
— auch eine andere Zeit!" Dieses individualistisch zersplitterte Zeiterleben
ist aber gar nicht die Zeitlage, die sich in einem Kunstwerk spiegeln kann, und von
der der Kunsthistoriker spricht. Denn die (relativ) einheitlichen Bedürfnisse und
Auffassungen einer Zeit bilden sich trotz des verschiedenen Alters der innerhalb
der Zeitstrecke sich bewegenden Einzelmenschen; wenn wir als Historiker von einer
,,Zeit" als von einer bestimmten Größe sprechen, so meinen wir eine Einheit, die
zwar niemals in den Erlebnissen der Individuen, schon aber in ihren Leistungen
und vor allem in der Begriffsbildung geschichtlicher Darstellung zu finden ist.
Gelegentlich dringt das auch in dem vorliegenden Buche durch, denn sein Verfasser
kennt als Problem „das Verhältnis des Gleichaltrigen zum Gleichzeitigen"; er ge-
steht also dem Gleichzeitigen einen besonderen Wert zu. 1

Immerhin gilt seine Teilnahme hauptsächlich jener Zusammenfassung von Einzel-
menschen, die wir eine Generation zu nennen pflegen. „Nähenlage der Geburts-
zeit", so heißt es, „bedeutet auch (unbeschadet aller Qualitätsunterschiede) Nähen-
lage der Probleme, der inneren Ziel e". „Es gibt Generationen von normalerweise
einheitlichem Problemcharakter." „Es gibt in und unter den Zeiten die Stimmen
der Generationen." Darin liegt viel Richtiges. Übrigens ist es nicht neu. Schon
vor dreißig Jahren schrieb ich in dem Vorwort zu der „Geschichte der neueren deut-
schen Psychologie": „Die Zeitgrenzen habe ich nicht, wie es scheinen könnte, nach
äußeren Merkmalen bestimmt, sondern nach dem Maßstab einer von innen abmes-
senden Vorstellung, nämlich dem der Generation. Verstehen wir unter Generation
eine Gleichzeitigkeit und Gleichartigkeit von Individuen, deren Schaffungsperiode
durch dieselben großen Tatsachen bedingt ist, so können wir in der Entwicklung
der deutschen Psychologie vier Zeiträume unterscheiden ... innerhalb eines jeden
solchen Ganzen ist ein höchster Punkt zu bemerken, der mit dem Reifwerden einer
Generation zusammenfällt; dieser Punkt wird in der Darstellung besonders berück-
sichtigt, weil von ihm aus am besten das Gerüst des geistig-geschichtlichen Auf-
 
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