Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

DOI Artikel:
Trojan, Felix: Zur Psychologie der Farben bei Goethe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0253
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BEMERKUNGEN.

237

innerlichung und Verdunklung, die der Stil des Sturmes und Dranges forderte:
„Was nützt die glühende Natur — Vor deinen Augen dir... Wenn liebevolle
Schöpfungskraft — nicht deine Seele füllt ..." Dieses Beispiel ist auch darum lehr-
reich, weil es zeigt, daß die vorhin gekennzeichnete „innere Flamme kosmischen
Ursprungs" wesensgleich ist mit der hier berufenen „liebevollen Schöpfungskraft".
Ihre klassische Form erfährt die Symbolik des Poetischen aber erst in der 1784
entstandenen „Zueignung". Der Dichter zeichnet in prachtvollen Versen einen
Kampf zwischen Sonne und Nebel. Aber bevor dieser Kampf entschieden ist, tritt
ihm eine leuchtende Vision vor Augen. Es ist die Wahrheit. Aus ihrer Hand emp-
fängt er „der Dichtung Schleier", den die Gestalt aus dem Nebel zieht, indem zu-
gleich der Himmel völlig rein und klar wird.

Die Symbolik des Poetischen hat sich hier gegenüber dem „Neuen Amadis"
gleichsam umgekehrt. Dort Phantasie gleich Licht, hier gleich Nebel. Der Gegen-
pol hat sich gewandelt. An die Stelle der Einsamkeit ist die Wahrheit getreten.
Damit aber hat sich ein wichtiger Schritt vollzogen: denn nicht nur hat die im Be-
reiche der erotischen Symbolik- schon vorbereitete Aufhellung der Dunkelseite zu-
genommen, es fällt dadurch auch zum erstenmal ganz entschieden ein Wertakzent
auf diese Seite, der sie der anderen gegenüber als gleichwertig erscheinen läßt.

IV. Die kultur philosophische Symbolik der Farben. Die
italienische Reise, die Begeisterung für den Süden und die Antike hat durch eine
neue Symboldeutung die eben gekennzeichnete Entwicklung für einige Zeit gehemmt.
Licht und Trübe versinnbildlichen für Goethe nun den Gegensatz zwischen der
Kultur des Südens und der des Nordens. Wenn sich der Dichter nun auch, seiner
Herkunft nach, dem Trüben verbunden fühlen muß, so liegt der positive Akzent
doch durchaus auf der Lichtkultur des Südens. Mit dem Wertakzent verschwindet
aber auch die Aufhellung, die sich in den früheren Phasen langsam vollzogen hat.
Goethe spricht in den römischen Elegien (1788—1790) von dem „graulichen Tag
hinten im Norden", wo der Himmel trübe und schwer sich auf den Scheitel senkte, wo
„Färb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag" und der Dichter über sein Ich,
„des unbefriedigten Geistes — Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung ver-
sank". — Nun aber „umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die Stirne". Sicher-
lich hatte die hier in Frage stehende Antithese schon einen gewissen Ausgleich
erfahren durch die Rückkehr aus Italien, durch die notwendige Wiedereinfügung in
die gegebenen, Goethes Natur letzten Endes doch gemäßen Verhältnisse, durch die
Enttäuschung, die ihm 1790 die venezianische Reise bereitet hatte. Daß dieser Aus-
gleich schließlich schöpferisch geworden ist, symbolisiert der Bund Faustens mit
Helena, mit dessen Frucht Euphorion zwar zunächst Byron gemeint ist, der aber
darüber hinaus doch auch Goethes Werk symbolisiert.--

Soviel über die vier Symbolgruppen, die sich vor der Einwirkung der durch
die Farbenlehre gewonnenen Sätze auf die Lyrik finden. Man weiß aus den Tag-
und Jahresheften Goethes, daß seine ernstliche Beschäftigung mit den Pro-
blemen der Farbe 1791 eingesetzt hat. Die Anregung erwuchs aus dem Studium des
Kolorits in der italienischen Malerei. Fast zwei Jahrzehnte hat Goethe an seiner
Theorie gearbeitet.

Die Beschäftigung mit der Farbenlehre ist sicherlich kein Zufall in Goethes
Leben. Sie erwächst vielmehr völlig organisch aus den uns nun schon bekannten
Voraussetzungen. Die in der Lyrik bis zum theoretischen Studium der Farben ver-
wendeten Töne gehören mit wenigen Ausnahmen (wie z. B. das Gedicht „Die Freu-
den", 1768) der Schwarz-Weißreihe an. Die getönten Farben kommen erst nach
1810 zur Geltung. Eine bedeutsame Rolle spielen sie im „Westöstlichen Divan"
(„Phänomen", „Liebliches", 1S14; „Die Welt ist durchaus lieblich", „Hoch-
 
Annotationen