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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0172
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158

BESPRECHUNGEN.

dessen im Kern unromantische Dichtungen Müller gewaltsam romantisch deutet
(im Amphitryon findet er das Mysterium der unbefleckten Empfängnis behandelt,
S. 65) und dessen Produktion er im Sinne der Romantik beeinflußt.

Berlin. Helmut Kuhn.

Erich Aron, Die deutsche Erweckungdes Griechentums durch'
Winckelmann und Herder. Niels Kampmann-Verlag, Heidelberg, 1929.

Das Entscheidende an dieser Untersuchung ist die sichere Art, mit der sie per-
sönliche Ursprünge und geistiges Bild der deutschen Griechenentdeckung in seiner
ursprünglichen Einheit zur Anschauung bringt. Was heute so leicht in platte All-
gemeinheiten zerrinnt, wird hier als gewachsenes, bodenständiges Erzeugnis deut-
scher Wesensart und bestimmter Gestalten mit ebensoviel innerer Verbundenheit
wie ehrfürchtigem Wissen um die Einmaligkeit einer solchen großen geistigen Bild-
gestalt gezeigt. Von Winckelmanns leibhaftem Erleben der Jünglingsschönheit an
griechischen Bildwerken bis zur vollen Schau der Griechen als Jünglingszeitalter
der Menschen überhaupt bei Herder wird „die deutsche Erweckung des Griechen-
tums" mit klaren und einfachen Strichen — unter Umreißung der einzelnen für die
Frage wichtigen Werke — festgehalten.

Als Mangel möchte es fast scheinen, daß zwischen den beiden Hauptträgern
der Idee, die diese Arbeit bestimmt, zwischen Winckelmann und Herder und die
treffliche Herausarbeitung ihrer Bedeutung für die dargestellte Aufgabe, eine lauge
Reihe von Zwischenstufen eingeschaltet ist, die eine gewisse historische Vollständig-
keit anstreben. Gluck, Klopstock, Lessing, Wieland werden in ihren Werken und
Äußerungen auf ihre Beziehung zum Thema untersucht. Doch geben gerade die so
herbeigeschafften Vergleichsmöglichkeiten den rechten Hintergrund zu der Absicht
des Buches, den „Gegensatz der griechischen Renaissance, die in Deutschland
erst kurz nach der Alitte des 18. Jahrhunderts erhaben und mühsam durchbricht
und (streng genommen) mehr eine neue Geburt als eine Wiedergeburt ist, gegen
die lateinische Renaissance, wie sie in Italien seit dem 14., in Frankreich und
England seit dem 16. Jahrhundert ihre naturgemäße, klare Entwicklung findet" auf-
zuzeigen und für die Literaturwissenschaft herauszuarbeiten. Vor allem Lessing,
aber auch Wieland, erscheint dabei durchaus noch im Rahmen der lateinischen
Renaissance, während Klopstock und Gluck mit manchem Wesenszuge schon zu der
griechischen hinüberneigen, deren Zeichnung bei Winckelmann und Herder im Ge-
gensatz zu jenen dann um so anschaulicher und schärfer hervortritt. Gerade die
Kontraste überzeugen bei dieser so lange verwischten geistesgeschichtlichen Tat-
sache, die ja nicht eine beliebig herausgegriffene Angelegenheit mehr ist, sondern
die „das Denken und Fühlen aller heutigen Humanisten erfüllt".

Der Verfasser hat die bedeutsame und hohe Aufgabe, die er sich stellte, in sach-
licher und würdiger Weise zu lösen gewußt. Winckelmann ist seiner Persönlichkeit
entsprechend in der vollen lebendigen Verknüpfung seines' menschlichen Schicksals
mit seiner geistigen Sendung gefaßt, die ihn auszeichnete, Herder in der ganzen
Breite seines die Welt und die Menschheit überblickenden Geistes. Sein „neues Grie-
chenbild" in seiner Auswirkung auf die Betrachtung der Sprache, der Mythologie,
wie hervorragender Einzelgestalten (Homer, Pindar, die Tragiker, Herodot, Xeno-
phon), aber auch die Beziehung der „neuen Griechenbetrachtung" zur zeitgenös-
sischen Literatur (Bodmer, Gleim, Weiße, Geßner, Lessing) wird an Beispielen sicht-
bar gemacht.

Die knapp gefaßte Arbeit vermag etwas von der edlen Haltung eben jener
 
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