DER SPRACHGEIST ALS DOPPELEMPFINDER. 261
nicht zu viel gesagt, den Sprachgeist sogar einen Universal-Synästhetiker
zu nennen: denn unter anderen „Geistern" gehört er zweifellos dem
„Synästhetiker-Typus" zu; was für die Anwendung des Organismus-
Gedankens auf die Sprache zu günstigen Schlüssen ermuntern könnte!
6. Zusammenfassung.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß, von den Anfängen einer sinn-
erfüllten Laut- und Wortsprache an, Sinnessynthesen und -Übertragungen
am Aufbau der Sprache mitbeteiligt sind:
1. am unmittelbarsten, insofern ein Laut oder Lautbild dank seinen
rein phänomenologischen Eigenschaften zum intendierten klanglichen
Symbol nichtakustischer Sinnesinhalte wird, und dies in ganz spezieller,
lautsinngemäßer Weise. Dieser synästhetische Lautsinn ist, soviel nach
dem bisherigen Stande der Forschung vermutet werden kann, in den mei-
sten, wo nicht in allen Sprachen innerhalb gewisser Schwankungsgrenzen
wesentlich der gleiche. Entwicklungsgeschichtlich jedoch bildet sich der
spezifische synästhetische Lautsinn der Vokale wesentlich später heraus als
der der Konsonanten und insbesondere der Stimmtongebung. Die All-
gemeinmenschlichkeit des synästhetischen Lautsinns ist also bei diesen
letzteren die unbedingtere.
2. ebenfalls unmittelbar, durch den Bedeutungsbereich gleicher Wör-
ter und Stämme, welcher oft heterogene Sinnesgegebenheiten umfaßt.
Diese sinnliche Mehrdeutigkeit der Sinnenbenennungen ist zwar noch in
den höchstentwickelten Sprachen von heute anzutreffen, jedoch umso
reichlicher ausgebreitet, je älter und ursprünglicher ein Sprachstadium
ist. Die Wortbedeutungen sind, auch in sinnlicher Hinsicht, umso um-
fassender und vielseitiger, je näher wir am Ursprung sind.
3. Dasselbe Moment, weniger unmittelbar, ist in der etymologischen
Verwandtschaft solcher Wörter gegeben. Hierüber gelten dieselben Aus-
sagen wie im vorigen. Beide Momente weisen auf einen Urzustand der
Sprache zurück, der noch vor der Herausbildung eines verfeinerten
synästhetischen Lautsinns liegt. Von diesen Mehrdeutigkeiten und Wur-
zelverwandtschaften hat sich eben nur so viel erhalten, als den tatsäch-
lichen phänomenalen Übereinstimmungen zwischen heterogenen Sinnes-
gegebenheiten entspricht. Die Undifferenziertheit der Sinnlichkeit, die
ursprünglich darin steckt, wird mit dem Laufe der Sprachentwicklung
überwunden; wie ja auch das Doppelempfinden nur beim primitiven
Menschen eine solche Undifferenziertheit, auf höherer Stufe aber eine
Synthese der deutlich voneinander abgehobenen Sinne auf Grund mehr
oder minder objektiver „intermodaler" Gemeinsamkeiten bedeutet.
4. mittelbar, in der Art der Begriffsbildung. Insbesondere bei der
genaueren sprachlichen Festlegung differenzierterer Sinnesqualitäten, wie
nicht zu viel gesagt, den Sprachgeist sogar einen Universal-Synästhetiker
zu nennen: denn unter anderen „Geistern" gehört er zweifellos dem
„Synästhetiker-Typus" zu; was für die Anwendung des Organismus-
Gedankens auf die Sprache zu günstigen Schlüssen ermuntern könnte!
6. Zusammenfassung.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß, von den Anfängen einer sinn-
erfüllten Laut- und Wortsprache an, Sinnessynthesen und -Übertragungen
am Aufbau der Sprache mitbeteiligt sind:
1. am unmittelbarsten, insofern ein Laut oder Lautbild dank seinen
rein phänomenologischen Eigenschaften zum intendierten klanglichen
Symbol nichtakustischer Sinnesinhalte wird, und dies in ganz spezieller,
lautsinngemäßer Weise. Dieser synästhetische Lautsinn ist, soviel nach
dem bisherigen Stande der Forschung vermutet werden kann, in den mei-
sten, wo nicht in allen Sprachen innerhalb gewisser Schwankungsgrenzen
wesentlich der gleiche. Entwicklungsgeschichtlich jedoch bildet sich der
spezifische synästhetische Lautsinn der Vokale wesentlich später heraus als
der der Konsonanten und insbesondere der Stimmtongebung. Die All-
gemeinmenschlichkeit des synästhetischen Lautsinns ist also bei diesen
letzteren die unbedingtere.
2. ebenfalls unmittelbar, durch den Bedeutungsbereich gleicher Wör-
ter und Stämme, welcher oft heterogene Sinnesgegebenheiten umfaßt.
Diese sinnliche Mehrdeutigkeit der Sinnenbenennungen ist zwar noch in
den höchstentwickelten Sprachen von heute anzutreffen, jedoch umso
reichlicher ausgebreitet, je älter und ursprünglicher ein Sprachstadium
ist. Die Wortbedeutungen sind, auch in sinnlicher Hinsicht, umso um-
fassender und vielseitiger, je näher wir am Ursprung sind.
3. Dasselbe Moment, weniger unmittelbar, ist in der etymologischen
Verwandtschaft solcher Wörter gegeben. Hierüber gelten dieselben Aus-
sagen wie im vorigen. Beide Momente weisen auf einen Urzustand der
Sprache zurück, der noch vor der Herausbildung eines verfeinerten
synästhetischen Lautsinns liegt. Von diesen Mehrdeutigkeiten und Wur-
zelverwandtschaften hat sich eben nur so viel erhalten, als den tatsäch-
lichen phänomenalen Übereinstimmungen zwischen heterogenen Sinnes-
gegebenheiten entspricht. Die Undifferenziertheit der Sinnlichkeit, die
ursprünglich darin steckt, wird mit dem Laufe der Sprachentwicklung
überwunden; wie ja auch das Doppelempfinden nur beim primitiven
Menschen eine solche Undifferenziertheit, auf höherer Stufe aber eine
Synthese der deutlich voneinander abgehobenen Sinne auf Grund mehr
oder minder objektiver „intermodaler" Gemeinsamkeiten bedeutet.
4. mittelbar, in der Art der Begriffsbildung. Insbesondere bei der
genaueren sprachlichen Festlegung differenzierterer Sinnesqualitäten, wie