Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

DOI Artikel:
Bemerkungen
DOI Artikel:
Rischowski, Edith: Formprobleme der Porzellanplastik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0115
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BEMERKUNGEN.

101

stark ins Metaphysische abzugleiten, vielleicht sagen dürfen, daß ein gewisser Zug
von jener Oeisteshaltung hier wiedergefunden werden könnte, die in der Philosophie
jener Zeit geformt ist, nämlich der gleichmäßigen Bewertung aller Erscheinungen
des Lebens als Träger göttlicher Gesetzlichkeit. Die „schöpferische" Auseinander-
setzung, die Kunst, ist nach Schmarsows schönem Wort, „eine Auseinandersetzung
des Menschen mit der Welt, in die er gestellt wird, so gut wie Wissenschaft, Re-
ligion und Sittengesetz es auch sind" — sie geht notwendig in der gleichen gei-
stigen Optik vor sich, wie Religion, Sittengesetz und Wissenschaft. Die Werte
sind dabei ohne Bezug auf die menschliche Existenz und insofern auch alle Größen-
ordnungen gleichwertig. Von diesem Standpunkt aus gibt es kein differenziertes
Gefühl mehr für die Wirkung eines Maßstabes. Das scheint den Ansichten zu
widersprechen, die dem Barock in jedem Falle monumentale Planungen zuschreiben
und die mit Recht betonen, wie gerade im Barock häufig eine Maßstabswirkung
erstrebt wird, die sich natürlich auf den Augenschein, also auf den menschlichen
Betrachter, bezieht; indem nämlich durch die Nebeneinanderstellung von Sehr-groß
und Sehr-klein die Wirkung Noch-größer für das Große eben durch dies Miß-
verhältnis offenkundig erstrebt wird, — ein Kunstgriff, der ebenso wie die perspek-
tivischen Kunstgriffe der Deckenmalerei aus der dekorativen Gestaltungstendenz
folgt. — Eben jenes Sehr-groß und Noch-größer steht nun aber doch innerhalb
einer Ordnung, für die der menschliche Maßstab nicht gilt und die ohne Bezug
ist auf die menschliche Existenz und die in ihr und durch sie gesetzte oder zu
setzende Wertskala. Ein Beweis liegt in der gleichzeitigen Vorliebe für den gigan-
tischen wie für den zierlichen Maßstab der Plastik, noch mehr aber in der Art,
wie jeweils der Maßstab als Ausdruckswert ausgenützt wird. „Wie die Säulen
und Nischen in allen Größen verwendet werden, so wechseln auch die menschen-
ähnlichen Gestalten ihren Maßstab zwischen dem Kolossalen und dem Winzigen,
besonders langgestreckte Engelburschen und zwerghafte Kinder wohnen ... friedlich
beieinander. (A. Schmarsow, Barock u. Rokoko.) Die eigentlich nur vergrößerte
Kleinplastik, d. h. die Großplastik, der das innere Format fehlt, ist z. B. nicht
allzu selten — so wird von Sauerland gegen Permosers Monumentalplastik nicht
immer mit Unrecht dieser Vorwurf erhoben, aber die Beispiele bei bedeutenden
Meistern ließen sich vermehren. Und das Gegenteil, das freilich seltener als Vor-
wurf gefaßt werden dürfte, aber vielleicht beweiskräftiger ist, nämlich, daß etwa
die innere Größe den Maßstab zu sprengen droht, wird z. B. bei Kändler häufig
gefunden. Gerade in diesem Fall werden öfter diese offenbaren Zeitstilelemente ver-
wechselt mit Unfähigkeit, sich dem Material anzupassen, ein Vorwurf, der nicht
die geringste Berechtigung hat und ganz und gar ad absurdum geführt wird
durch die Tatsache der unbestrittenen stilschöpferischen Kraft des Meisters. Wie
völlig unbedenklich Kändler mit Maßstäben umging, geht u. a. auch aus der Tat-
sache hervor (auf die schon Jean Louis Sponsel verwies in Kabinettstücke
des Meißner Porzellans), daß er häufig die gleichen Stücke in mehrfacher Größe
ausführte — aus praktischen Verkaufsrücksichten, aber die Möglichkeit ist das
Entscheidende. Es befinden sich z. B. in der staatlichen Porzellansammlung zu
Dresden Tierplastiken Kändlers, kleine Wiederholungen der großen Tiere für das
Japanische Palais, ebenso finden sich im Kunstgewerbemuseum in Dresden Johannes
und Maria, kleine Wiederholungen der 1740 für eine Kreuzigung modellierten
großen Figuren, von denen wiederum die staatliche Porzellaiisammlung sowie die
Schauhalle der Meißner Manufaktur Exemplare besitzen.

Sehr wohl überein geht jene Maßunbestimmtheit des Barock- und Rokokostils
mit seiner ausgesprochenen dynamischen Gestaltungstendenz, indessen der statisch
 
Annotationen