Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

DOI Artikel:
Vianu, Tudor: Ästhetische und kunstwissenschaftliche Arbeit in Rumänien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0256
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
242

TUDOR VIANU.

turkritiker der Rumänen, ein Beispiel für eine Beeinflussung durch die
Hegeische Ästhetik unmittelbar aus den Originalquellen, ja sogar durch
die Atmosphäre jener Universität, an der Hegel seine Lehre entwickelt
und vorgetragen hatte.

Am Abschluß seiner Studienzeit an der Berliner Universität knüpft
Titu Maiorescu enge Verbindungen mit dem Berliner Kreis der Hegel-
anhänger, der sich unter dem Namen „Philosophische Gesellschaft" um
C. L. Michelet gruppierte. Das Organ dieser Vereinigung war die Zeit-
schrift „Der Gedanke". Darin findet sich (II. Band 1861) eine Mittei-
lung Titu Maiorescus über „Die alte französische Tragödie und die
Wagnersche Musik", worin unter Verwendung der Hegeischen Definition
des Schönen und seiner Unterscheidung des „Erhabenen" und des „Rei-
zenden" versucht wird, Rückschlüsse auf Wagners „Musik der Zukunft"
zu ziehen, wobei zum Vergleich die klassische Tragödie Corneilles be-
nützt wird. Diese Mitteilüng löste eine Auseinandersetzung aus, an der
sich mehrere Hegeljünger strengster Observanz beteiligten wie z. B.
Michelet, Lasson, Schasler u. a., worauf dann Titu Maiorescu abschlie-
ßend antwortete. Für den rumänischen Forscher besteht das Hauptinter-
esse an dem Hervortreten des jugendlichen Maiorescu im Kreise der
Berliner Hegelanhänger darin, daß es unzweideutig die Hegeische Her-
kunft von Titu Maiorescus ästhetischen Ideen beweist, mit deren Hilfe er
eine so entscheidende Rolle in der Entwicklung der rumänischen Kultur
unserer Zeit spielen sollte.

Kurze Zeit nach seiner Rückkehr in das Vaterland wird Titu Maio-
rescu Professor der Universität Jassy und bekommt als Kritiker und
Spiritus rector der Zeitschrift „Convorbiri literare" („Literarische Ge-
spräche") Gelegenheit, eine interessante Anwendung seines hegelischen
Gedankengutes zu geben. Sein Aufsatz „Eine kritische Untersuchung der
rumänischen Dichtung" übt scharfe Kritik an den zeitgenössischen lite-
rarischen Erzeugnissen. Im Lichte der Unterscheidung Hegels zwischen
„wahr" und „schön" sucht er, geleitet von dem Kriterium, daß die Schön-
heit als „das sinnliche Scheinen der Idee" verstanden werden müsse, das
Werk der Unterscheidung und Normalisierung der bezüglichen Werte
fortzusetzen, um sie zu ihrem eigenen Geist und ihren ursprünglichen
Methoden zurückzuführen. Der revolutionäre Geist von 1848 hatte
nämlich auch in Rumänien Dichtungen mit lehrhaften und patriotischen
Absichten hervorgebracht und einer tendenziösen Wissenschaft zum
Lichte verholfen, so daß eine Stimme wie die Maiorescus gerade zur
rechten Zeit kam, um den verschiedenen geistigen Werten ihren wahren
Sinn zurückzugeben. Bei diesem Werke der Normalisierung kam Maio-
rescu die Hegeische Unterscheidung von „wahr" und „schön" sehr zu-
statten, wenn er auch auf die wissenschaftliche Terminologie der Origi-
 
Annotationen