Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0318
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
304

BESPRECHUNGEN.

chytas, Keppler, Leibniz), Säkularisierung („reine" Instrumentalmusik), Voluntaris-
mus (Gegenstandslosigkeit und Bildlosigkeit des Willens, Schopenhauer), dieses
historisch überlastete Problem glaubt Pratt in freier Luft lösen zu können. Dabei
exemplifiziert er ebenso oft an Tönen wie an Musik — also an erst durch eine
Experiment-Situation geschaffenen Objekten: die Emotionslosigkeit eines Zwei-Ton-
Gebildes besagt aber nichts für die Emotionslosigkeit der Musik. Die Musikpsycho-
logie scheint nur eine komplizierte Form, ja nur ein Beispiel für Tonpsychologie
darzustellen. Nicht nur das Faktum, daß Musik historisch ist, auch die psychologisch
gewiß deutungsbedürftige Tatsache, daß jedes musikalische Gebilde und jedes Musik-
System einen gewissen Weltcharakter für sich hat, ist durch diesen Ausgang von
dem (außermusikalisch angesetzten) Tonbereich abgeblendet.

Obwohl es Pratt auf die Sache selbst ankommt, ja, wie er sagt, sogar auf eine
Überbietung der extremen Formalisten, nennt er sein Buch „psychologische Ästhe-
tik". In Wahrheit gehört das Buch keinem Ressort an: die Parallelität von Kapiteln
über ästhetische Kriterien von Kunst überhaupt, über Vierteltonmusik und über Test-
prüfungen (in dieser Reihenfolge) erschwert es bis zur Unmöglichkeit, eine Ver-
mutung über das Dispositionsprinzip und das den Kapiteln gemeinsame Ziel zu
formulieren.

Trotz seines Themas verzichtet Pratt eigentlich auch auf eine Psychologie der
Musik: über das Musikproduzieren, das Reproduzieren, das Rezipieren, über die
seelische Situation des Mitvollzuges, über die Bedeutung dessen, was Musikalisch-
sein heißt, erfahren wir kein Wort. Statt auf spezifisch Musikpsychologisches ein-
zugehen und sich von der Sache selbst die Einteilung vorgeben zu lassen, bietet er
eine Einteilung in Material, Form und Ausdruck, eine Aufteilung, die er glaubt der
allgemeinen Psychologie entnehmen zu können: was für diese gelte, gelte eo ipso
und parallel für die Musikpsychologie; so wird sie zum bloßen Sonderteil statt zum
Sonderfall.

Die Rekurse auf das Historische sind noch weniger ertragreich als der systema-
tische Teil. So behauptet Pratt, Aristoteles sei unfähig gewesen, einzusehen, daß
Kunst keine Imitation sei; die Schwäche seiner Theorie stehe heutzutage außer Zwei-
fel. Als Entdecker des Quasi-Charakters der durch die Kunst ausgelösten Gefühle
nennt er E. v. Hartmann. Daß dessen Theorie der „Scheingefühle" nur die später
psychologische Formulierung des Kantischen „uninteressierten Wohlgefallens" ist,
ist ihm unbekannt. Versuche, die zitierten historischen Größen zu verstehen, werden
nicht unternommen: sie gelten als Meinungspartner oder als Meinungsgegner. An
philosophischer Musikästhetik kennt er nur Hanslick und Schopenhauer; Namen wie
Augustin, Keppler, Rameau, Hegel, Kierkegaard kommen nicht vor.

Berlin. Günther Stern.

V. Kongreß für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft.

Mit Rücksicht auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben der
Vorstand der Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft sowie der
Wiener Ortsausschuß beschlossen, den für den 7. bis 10. Oktober 1933 angesetzten
Kongreß auf das Jahr 1934 zu vertagen. Vermutlich wird der Kongreß zu Pfingsten
1934 stattfinden. Weitere Nachrichten folgen.
 
Annotationen