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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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Schirmer, Walter F.: Dichter und Publikum zu Ende des 15. Jahrhunderts in England
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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0223
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Dichter und Publikum zu Ende des 15. Jahrhunderts

in England.

Von

Walter F. Schirmer.

1. Dies ist ein Versuch, bezeichnende Züge eines wenig bekannten
Zeitabschnitts herauszuarbeiten. Kein Name, kein Werk wird einem bei
Nennung des 15. Jahrhunderts in Erinnerung kommen; ja, die ganzen
anderthalb Jahrhunderte, die die beiden englischen Dichter europäischer
Bedeutung — Chaucer und Shakespeare — voneinander trennen, können
einem weiteren Leserkreise nur eine schattenhafte Vorstellung sein. Mehr
noch: auch die Literaturgeschichte, die sich an engere Fachkreise wen-
det, sagt über die zur Rede stehende Zeit nicht viel mehr, als daß es eine
Verfallszeit sei, etwas Negatives also, das die Frage, was denn eigent-
lich das literarische Gesicht dieser Zeit sei, nur noch dringlicher betont.

Die Zeit ist nicht so gleichgültig, wie es auf den ersten Blick scheinen
möchte; sie ist im Hinblick auf andere Länder und von anderen Diszi-
plinen aus Gegenstand fesselnder Untersuchungen gewesen, wobei man
nicht nur an die bildende Kunst Italiens zu denken braucht, sondern auch
an das Kulturbild Burgunds, das Cartellieri und Huizingas Herbst des
Mittelalters in unerwartetes Licht rückten. Die Umrisse der Kultur, und
sei es auch nur der literarischen Kultur Englands, in ähnlicher Weise
nachzuzeichnen, ist schwieriger aus einem doppelten und widerspruchs-
vollen Grunde; weil nämlich England einesteils den übrigen europä-
ischen Ländern weit nachhinkt und weil es anderseits in Chaucer einen
Dichter hat, der zumindest im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts
der größte Europas war. Unter seinem Schatten steht das literarische
Schaffen der ganzen Folgezeit, und jede Untersuchung darüber muß
also zuerst die Frage beantworten, worin — in großem Rahmen ge-
sehen — Chaucers Bedeutung bestand.

2. Kaum ein Dichtwerk des 15. Jahrhunderts unterläßt es, Chaucer
zu huldigen, und zwar sind alle diese Huldigungen auf einen Ton ge-
stimmt: „Er war der erste, der unsere Sprache mit den Blüten der Be-
redsamkeit schmückte" — diese Worte Lydgates werden von drei aufein-

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVIII. 14
 
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