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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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BESPRECHUNGEN

Kapitel deutscher Kunstgeschichte abgetan! Zürn mindesten einseitig ist auch die
Interpretation des gotischen Lebensgefühls. Das Zeitalter der Gotik ist nicht nur
das der Mystik, sondern auch der Scholastik, und auch die Mystik bedeutet durch-
aus nicht einfach „Verachtung der Welt" und „Diesseitsfeindschaft". Das Mittel-
alter —■ und vor allem das spätere — hat, wie u. a. Burdach gezeigt hat, starke
diesseitsbejahende Züge besessen, und gerade in der Gotik vollzieht sich ja, wie
Dvofäk dargelegt hat, die relative Anerkennung des Diesseits im Rahmen einer jen-
seitig gerichteten Weltanschauung. Hätte Deri etwa eine romanische Figur mit einer
gotischen verglichen, so hätten sich diese Entwicklungstendenzen von selbst erschlos-
sen. Daß die Gotik nicht nur die Antithese, sondern in vieler Hinsicht auch die
Durchgangsstufe zur Renaissance bildet, wird aus Deris Darstellung nicht ersicht-
lich. Und ebensowenig wie die Gotik ausschließlich weitabgewandt ist, ist die Re-
naissance ausschließlich „heidnisch" — schon die Fülle an tiefempfundenen religiösen
Darstellungen in der Renaissance müßte vor einer solch' allzustarken Vereinfachung
des historischen Bildes warnen. Bei der Darstellung des Barock wird u. a. Rem-
brandt in eine naturalistische Unterströmung eingereiht: gerade hier wäre es —
etwa in Anschluß an Wölfflins Grundbegriffe — höchst aufschlußreich gewesen, im
Naturalismus der Holländer die Tendenzen des Barock aufzuzeigen. In keiner Weise
gerecht wird endlich Deri der Kunst des Klassizismus, die er ausschließlich als
Eklektizismus wertet. Schinkels Berliner Schauspielhaus gehört trotz der unleug-
baren Diskrepanz von Tempelfassade und wirklichem Eingang zu den edelsten Wer-
ken deutscher Baukunst. Deri hat gar nicht gesehen, daß es sich beim Klassizismus
— bei aller Nachahmung antiker Formen — doch um einen neuen, eigenen Stil handelt,
der auch städtebaulich Hervorragendes geleistet hat. Und viel zu negativ ist auch die
Bewertung der historisierenden Baukunst des 19. Jahrhunderts, die wir heute doch
schon wesentlich objektiver beurteilen. Wenn Deri — gewiß mit Recht — betont,
daß in diesem Jahrhundert das Schwergewicht auf der Malerei liege, so hätte er
eben die Stilentwicklung in der Malerei und Plastik eingehender verfolgen müssen,
statt sie nur mit wenigen Worten anzudeuten. Gerade hier wäre es eine dankbare
Aufgabe, zu untersuchen, ob nicht auch zwischen der eindeutig verfolgbaren Stil-
entwicklung der darstellenden Künste einerseits und dem vielfältigen Formenwandel
der Architektur andererseits eine gewisse Parallelität besteht. —

Eine Einführung in die Stilgeschichte, die für breitere Kreise bestimmt ist, er-
fordert gründlichste Beherrschung des Tatsachenstoffes und Kenntnis der wichtig-
sten neuen Forschungen auf diesem Gebiet. Es ist schade, daß Deri, der durchaus
das Zeug dazu hat, eine solche Einführung zu geben, es in diesen Punkten an ent-
scheidenden Stellen fehlen läßt.

Kiel. Walter Passarge.

Helmut Rehder: Die Philosophie der unendlichen Land-
schaft. Ein Beitrag zur Geschichte der romantischen Weltanschauung.
Deutsche Vierteljahrsschrift f. Literaturwissenschaft u. Geistesgeschichte. Buch-
reihe Bd. 19. Max Niemeyer, Halle 1932. VIII, 228 S.

Das Problem der unendlichen Landschaft wird in diesem Buch zur Veran-
lassung und zum Leitfaden für eine Untersuchung über das Verhältnis des den-
kenden Ich zur Natur, wie es sich in der philosophischen, künstlerischen und
naturwissenschaftlichen Romantik spekulativ entfaltet hat. Die übergreifende Ein-
heit von Mensch und Natur, das „Ganze", wird in der Anschauung der unend-
lichen Landschaft erfaßt. „Man strebt danach, in der natürlichen Weite das über-
 
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