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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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Herrmann, Helene: Forderungen musischer Erziehung bei Schiller und Plato
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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0041
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Forderungen musischer Erziehung bei Schiller undPlato.

Von

Helene Herrmann.

„Lehrling der Griechen" wußte sich die deutsche Klassik, und wir
sind gewohnt, das Erwachen des klassischen deutschen Humanismus mit
der Geburt der humanistischen Idee in Hellas selbst untrennbar ver-
bunden zu sehen. Keine deutsche Bildungsgeschichte kann entstehen,
ohne daß gerade dieser einmalige Zusammenklang, der ja nur die höchste
Offenbarung eines nie ganz aussetzenden Suchens und Findens zwischen
deutschem und antikem Geiste gewesen ist, nun auch bis ins Letzte
begriffen würde. Von allen Fragen, die dabei auftauchen müssen, ist
eine der wichtigsten diese: wie weit spricht in den Lehrlingen der Grie-
chen doch unüberhörbar der Mensch des 18. Jahrhunderts? Alle frühe-
ren Schichtungen deutschen Wesens arbeiten freilich notwendig mit an
der Aufnahme und Verwandlung der Antike durch die deutsche Klassik,
aber das eigene Jahrhundert der aufnehmenden und verwandelnden
Menschen ist doch das wichtigste.

Ein bescheidenster Beitrag zu diesem noch unerschöpften Thema
wollen die folgenden Betrachtungen sein. Sie betreffen eine bisher nicht
beachtete Ähnlichkeit zwischen gewissen Stellen in Piatos „Staat" und
anderen in Schillers „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen".

Im dritten Buche des „Staates", da, wo von der musischen Erziehung
der Wächter die Rede ist, lehrt Plato, der Dichter — und später schließt
er auch den Bildner mit ein — dürfe, wenn er erziehlich wirken soll,
nicht „mimetisch" schaffen. Dies gipfelt in der berühmten Stelle: „Einem
Mann also, wie es scheint, der sich künstlicherweise vielgestaltig zeigen
kann und alle Dinge nachahmen, wenn uns der selbst in die Stadt käme
und auch seine Dichtungen uns darstellen wollte, würden wir Verehrung
bezeigen als einem heiligen und wunderbaren und anmutigen Mann,
würden ihm aber sagen, daß ein solcher bei uns in der Stadt nicht sei
und auch nicht hineinkommen dürfe, und würden ihn, das Haupt mit
vieler Salbe begossen und mit Wolle bekränzt, in eine andere Stadt ge-
leiten, selbst aber uns mit dem strengeren und minder anmutigen Dichter
und Fabellehrer, der Nützlichkeit wegen, begnügen, der uns des würdi-
 
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