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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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Roretz, Karl von: Bausteine zu einer Gedankenästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0205

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BAUSTEINE ZU EINER GEDANKENÄSTHETIK 191

3. Was die Aufnahme der auf solche Weise zustande gekommenen
Erlebnisse in den Bereich der Ästhetik rechtfertigt, ist einerseits die hie-
bei auftretende Lustbetontheit — welche der Vitalsphäre ebenso
entrückt ist wie der des Praktisch-Intellektuellen — anderseits die eigen-
artige B a u f o r m, die eben nur im Ästhetischen eine Entsprechung hat.

(Man kann aber, um ganz vorsichtig zu sein, hier außer von ästhe-
tischen auch noch von „q u a s i - ästhetischen" Erlebnissen reden!)

4. Festzuhalten bleibt immer, daß die theoretische Wertigkeit, also:
die Gültigkeit und das gedankliche Sich-Bewähren, hier nicht das Ent-
scheidende sind, sondern nur die Freude am Strukturellen.

5. Die Wirkung dieser gedankenästhetischen Vorkommnisse scheint
sich in doppelter Weise zu vollziehen: Erstens so, daß vor allem das
Sinnvolle an der Struktur größerer Zusammenhänge (neben ihrem
ideellen Sachgehalt!) lustvoll erlebt wird; zweitens in der Weise, daß
vor allem eine gewisse Dynamik ästhetisch (oder quasi-ästhetisch)
zu freudvollem Bewußtsein gelangt.

6. Diese Form des ästhetischen Erlebens hat nichts zu tun mit der
Affiziertheit durch jene symbolischen Schöpfungen, bei denen die bereits
im engeren, herkömmlichen Sinn ästhetische Form das Erlebnis auslöst:
wie bei Wagners „Programmusik", bei Leopardis „Gedankenlyrik" usw.

Nach diesen kurzen, gleichsam einführenden Bemerkungen, denen
aber grundsätzliche Bedeutung zukommt, soll nun der Versuch gemacht
werden, die ins Auge gefaßten Erlebnisse etwas genauer zu schildern,
so, wie sie sich tatsächlich abzuspielen scheinen. (Aus verschiedenen, in-
neren und äußeren, Gründen muß es hier vorläufig bei einer kurzen
Skizze sein Bewenden haben!)

So wollen wir vor allem jene beiden Modifikationen mustern und
durch etliche Beispiele belegen, unter denen die „Gedankenschön-
heit" — um einmal dieses Wort direkt zu gebrauchen — überhaupt
auftreten kann: Die Grundform des Gedanklich-Sinnvollen und die
des Gedanklich-Dynamischen.

Auf welchen Gebieten des menschlichen Geisteslebens können wir sie
finden?

Die Antwort wird lauten: Grundsätzlich sind sie wohl auf allen Ge-
bieten unseres Geistes erlebbar und werden, wie sich kaum bezweifeln
läßt, tatsächlich erlebt, wenn sie sich natürlich auch verschieden prä-
sentieren. — Ich habe in einem Abschnitt meines letzten Buches („An
den Quellen unseres Denkens", 1937, bes. S. 191 ff.) die Typen der
wissenschaftlichen Theorienbildung unter einen ähnlichen Ge-
sichtswinkel zu bringen gesucht und verweise auf die dortigen Ausfüh-
rungen, ohne sie hier zu wiederholen. Hier wollen wir bloß, die oben an-
gedeutete Gruppierung einigermaßen festhaltend, die Analyse einer
 
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