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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0085

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78 PAUL ZUCKER.

Mit berichte.

Paul Zucker:

Subjektivismus in der Architektur.

I.

Die Geschichte der bildenden Kunst wurde in den letzten dreißig
Jahren im wesentlichen aufgefaßt als eine Entwicklungsgeschichte der
Seh- und Gestaltungsformen aufeinanderfolgender Generationen. Der
überwältigende Einfluß Wölfflins (Von der »Klassischen Kunst« bis zu
den »Grundbegriffen«) ist bekannt genug, ebenso bekannt seine wissen-
schaftsgeschichtlichen Folgeerscheinungen: einerseits völlige Vernach-
lässigung der eigentlich allgemeiner gegründeten Historie, Identifizie-
rung von Kunstgeschichte mit einer rein formalanalysierenden Ge-
schichte des menschlichen Sehens — nicht so bei Wölfflin selbst, wie
bei seinen unmittelbaren und mittelbaren Schülern — und andererseits
der Verzicht oder zum mindesten ein nur verschämtes Bekenntnis zur
Einzeldarstellung eines Künstleroeuvres. Die Reaktion gegen die erste
dieser Folgeerscheinungen, das Herauslösen der optischen Probleme
als vermeintlich zusammenhangloser Einzelerscheinungen aus ihrer histo-
rischen, soziologischen, psychologischen usw. Bedingtheit — ist bereits
im Gange: breit angelegte, kulturgeschichtlich motivierte Darstellungen
werden schon wieder geschrieben, im Wechsel der Generationen kom-
men Burckhardt und Grimm wieder zu ihrem Recht — und wäre es
in so dilettantischer Form wie bei Spengler.

Aber noch sehen wir kaum eine Änderung der eigentlich wissen-
schafts-geschichtlichen »Mode« in bezug auf das zweite Problem:
das Verhältnis des Einzeloeuvres zum Gesamtschaffen einer Genera-
tion. Daß hier die Entwicklung oder besser Änderung unseres Sicht-
punktes langsamer und komplizierter verläuft, ist nur allzu erklärlich.
Denn hier trafen die formalgeschichtlichen Problemstellungen Wölff-
lins, Schmarsows, in gewissem Sinne auch Riegls (bei aller Verschie-
denheit, ja Gegensätzlichkeit untereinander darf man die Namen in
dieser Hinsicht doch zusammen nennen) zusammen mit einer ganz
allgemeinen Einstellung zur Geschichte schlechthin. Die Methodik ihrer
formalen »Desindividualisierung« war ja nur ein Seitenzweig eines
Historizismus, der als letzte Konsequenz der Rationalistik des 18. Jahr-
hunderts aufzufassen ist. In diesem Zusammenhange könnte man ihre
Geschichtsauffassung als eine Art optischen Marxismus bezeich-
nen. Natürlich nur als »Denkform«, nicht etwa in der Begrün-
dung der formalen Entwicklung, in der ja gerade die genannten sich
soweit wie möglich untereinander unterscheiden. Die Konstruktionen
 
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