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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Bab, Julius: Film und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0188

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JULIUS BAB. FILM UND KUNST. > 181

Zweiter Tag.

17. Oktober 1924, nachmittags.
Verhandlungsleiter: Julius Petersen.

Julius Bab:
Film und Kunst.

Nicht allen in diesem Kreise wird es selbstverständlich sein, daß
die Probleme des Films hier überhaupt zur ästhetischen Diskussion
gestellt werden. Scheint doch das Kinemalographentheater ein Ver-
gnügungsinstitut, eine Massenbelustigung, der tieferen ästhetischen
Ergründung so wenig bedürftig und fähig, wie etwa das Variete oder
der Zirkus. Indessen, da der Film mit ungeheuerer Kraft wie kein
anderes Instrument der Volksunterhaltung bisher vordringt, da er Kreise
ergreift, die früher für die Theaterkunst in Frage kamen und große
Volksmassen mit Beschlag belegt, deren Interesse sonst vielleicht einer
anderen Kunst zu gewinnen wäre, so müßte schon kunstpädagogisches
Interesse, das ja zweifellos zu den bestimmenden Momenten dieser
Tagung gehört, eine Auseinandersetzung mit dem Film verlangen. Die
Erziehung zur Kunst hat heute kein wichtigeres Problem zu lösen,
als die Frage: kann der Kinematograph zu einem Instrument ästhe-
tischer Kultur gemacht werden, oder wenn das nicht möglich ist: wie
soll man ihm begegnen, wie soll man seinen Einfluß ausschalten.

Daß ein einfaches Ignorieren dieser Institution oder der Traum, sie
ausrotten zu können, töricht ist, das beweisen am besten ein paar
Zahlen, die in diesem Kreise vielleicht einigermaßen neu und ver-
blüffend sind. In dem größten Industrieland der Welt, den Vereinigten
Staaten von Nordamerika, stand die Filmindustrie in einer kürzlich
vorgenommenen Statistik, nach Aufwand der in ihr investierten Kapi-
talien und beschäftigten Menschen an zweiter Stelle. Und im Export
des Deutschen Reiches funktionierte diet Filmproduktion vor wenigen
Jahren mit den ausgeführten Werten gleich hinter der chemischen und
der Stahlindustrie an dritter Stelle. Hier ist eine Weltmacht, die bereits
in die wirtschaftlichen Fundamente unserer Gesellschaft so tief ver-
wurzelt ist, daß von ihrer Ausrottung gar keine Rede sein kann. Die
Art seelischer Wirkung aber, die von ihr ausgeht, muß von allergrößter
Bedeutung für die Kultur aller Völker auf Erden sein.

Der ungeheure Erfolg des Films beruht auf seiner Fähigkeit, durch
einen einfachen, überallhin transportablen Apparat an jedem Orte
außerordentlich billig, einen, sagen wir zunächst theaterartigen Genuß
zu bieten. Denn auf diese Phantasiebefriedigung ist die Weltmacht des
 
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