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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Laban, Rudolf von: Der Tanz als Eigenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0363

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356 RUDOLF VON LABAN.

Rudolf von Laban:
Der Tanz als Eigenkunst.

Die Tanzkunst und ihre Probleme stehen heute im ewigen Reigen
der Kulturwandlungen wieder einmal in den vorderen Reihen. Unsere
Väter noch waren dem Tanz gegenüber gleichgültig, wenn nicht ab-
lehnend. Heute tanzt fast jeder, man besucht und kritisiert Tanzauf-
führungen ebenso leidenschaftlich, wie in den früheren Blütezeiten
dieser Kunst. Ein deutlicher, öffentlich bekannter und diskutierter Riß
besteht zwischen alten und neuen Tanzformen.

Besonders häufig wurde in letzter Zeit die Frage erörtert: Ist Tanz
eine Eigenkunst oder nicht? Schon der Umstand, daß die traditionelle
Ästhetik der Tanzkunst im Laufe der letzten Jahrhunderte mehrfach
durchbrochen wurde und daß jedesmal die heftigste Polemik zwischen
alt und neu entbrannte, beweist eigentlich zur Genüge, daß der Tanz
als Eigenkunst besteht. Die Entwicklung der Tanzkunst und ihre An-
passung an die Wandlungen des Zeitgeistes ist merkwürdigerweise
von besonders heftigen Krisen begleitet. Wechselwellen von begei-
stertem Interesse und Verständnislosigkeit, die bis zum Abscheu geht,
begleiten diese Kunst seit jeher. Schon Lukian warf sich in seinem
Dialog über den Tanz zum Verteidiger auf. Es ist für unsere letzte
Vergangenheit bezeichnend, daß Lukians Übersetzer, Wieland, diese
Verteidigung in keiner Weise ernst zu nehmen vermochte, sondern in
dieser Schrift eine lediglich beißende Satire, die eigentlich gegen den
Tanz gerichtet war, sah. Dabei lebte Wieland zu einer Zeit, in der
gerade wieder heftigste Kämpfe um eine damals sich vollziehende
ästhetische Wandlung der Tanzkunst ausgefochten wurden. Bei diesen
Kämpfen handelte es sich um eine wichtige Phase der Umwandlung
mittelalterlicher Tanz- und Bewegungsformen in solche, die unserer
Zeit angepaßt sind. Der Tanz als religiöse Kunst war durch die Re-
formation gänzlich ausgeschaltet. Auch die katholische Kirche ver-
bannte ihn mehr und mehr aus ihrem Kult, und es verblieben nur
wenige liturgisch gebändigte Gebärdenformen des Gottesdienstes, die
man als Tanzformen zu bezeichnen sich schämte. Heute werden noch
in einigen spanischen Kirchen zu Ostern Knabentänze aufgeführt; es
soll aber die Absicht bestehen, diesen Brauch endgültig abzuschaffen.
Der Tanz blühte seit der Reformation nur als Bestandteil weltlicher
Geselligkeit und höfischen Zeremoniells.

Mit dem Aufblühen der neuen Theaterkultur entwickelte sich auch
die neue Bühnentanzkunst. Es entstand das Ballett. Schon vor der Ent-
stehung der ersten Oper ist im Jahre 1582 ein »Komisches Ballett der
Königin« von Baltasarini herausgebracht worden. 1589 wurde inLangres
 
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