Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0254

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
240

Durchkriechen als Mittel zur Erleichterung der Geburt.

33. Durchkriechen als Mittel zur Erleichterung der Geburt.
(Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 12, 110—113. 1902.)
In der mir bekannten und zugänglichen Literatur über den
,vieux rite medical4 des Durchziehens oder Durchkriechens1 finde
ich einen interessanten persischen Aberglauben nicht erwähnt, von
dem der italienische Reisende Pietro della Valle berichtet.
Della Valle reiste im Jahre 1622 von Schiraz nach Combru
(jetzt Bender Abbas). Unterwegs machte er Halt in einem Dorfe
namens Zireuan. Hier beobachtet er folgendes:
,Mittlerweil wir uns nun daselbst auffhielten / käme eine
schwangere Frau zu unserm Kameltreiber / und bäte ihn / dass er
sie unter ein Kamel / oder besser zu sagen / unter ein Weiblein /
welches schon einmal getragen / (weil alle / die wir brauchten / solche
waren) durchkriechen lassen weite2; weil diese Lenthe ihnen
einbilden / dass hierdurch die Geburt der Weiber befördert
werde. Der Kameltreiber /-welcher ihr hierinnen zur Freundschafft
gern willfahren wolte / liess eine Kamelin auffstehen; worauf die
Frau zur lincken Fland / im hinein gehen / durch ihren Bauch ge-
krochen / welches sie / im zurück gehen / noch zweymal auf eben
dieser Seiten wiederholet.3 Ich habe dieses zum öfftern von
schwängern Weibern thun sehen: weil man nun von dieser Wirckung
bey uns nichts weiß / so habe ich allhier darvon Meldung thun
1) [Gaidoz, Un vieux rite medical 1892 und Melusine 8, 1’74. 201. 217.
282. 9, 6. 121. 226. Grimm, D. MythoL3 1118. 3,402. R. Andree, Ethnograph.
Parallelen 31. Wuttke, Aberglauben § 503. 121. 111. Diese Zeitschrift 1, 101.
2, 50. 81. 3, 106. 232. Kuhn-Schwartz, Norddeutsche Sagen S. 443, Nr. 340.
Kolbe, Hessische Volkssitten 1886 S. 66. Panzer, Bayr. Sagen 2, 428. Schmidt-
konz, Der Deichbaum: Mitt, zur bayr. Volkskunde 1895, No. 2. Nyrop, Klude-
trreet: Dania 1, 1 — 31. Müller ebd. 3, 139 (über Hammarstedt, Ora smöjning,
Stockholm 1893 und Gaidoz). A. Hock, Croyance et remedes populaires en pays
de Liege3 1888 p. 571 und 38. Regis’ Rabelais 2, 207. — Aus Weinholds Notizen.]
2) Deutlicher im Original: ,sotto un camello, o per dir meglio sotto una
camella femmina (ehe tali eran tutte quelle ehe ci serviano) e ehe avesse partorito1
(Viaggi di Pietro della Valle cd. Gancia, Brighton 1843, vol. II, p. 406). Es
wurden also weibliche Kameele als Reittiere benutzt. Ebenso reiten die Beduinen
fast ausschließlich weibliche Kameele, weil di'ese einen sanfteren Gang haben als
die männlichen (Georg Jacob, Studien in arabischen Dichtern 3, 64).
3) Deutlicher (nach dem Original): Die Frau kriecht dreimal unter dem
Kameelweibchen hindurch, indem sie auf der linken Seite des Tieres beginnt und
jedesmal, wenn sie durchgekrochen ist, um das Hinterteil des Tieres herumgeht.
Die Frau bewegt sich also von links nach rechts; das Durchkriechen geschieht
immer in derselben Richtung.
 
Annotationen