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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Jordan, Max: Aus Julius Schnorr's Lehr- und Wanderjahren[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0014

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Aus Julius Schuorr's Lehr- und Wauderjahreu.

eingeprägt als wir Heute, da wir nüchterner über den Anspruch denken, den jener Sonder-
ling auf Unsterblichkeit hat, kaum verstehen; denn uns fehlt die Erfahrung der lebendigen
Persönlichkeit, die wohl fähig sein mochte, auf das Gemüth des Knaben, das ja immer
Mythen bildet, zündend einzuwirken.
Zeitig schon wurde tapfer komponirt; wir Haben Blätter aus dem 14. und 15. Jahre,
die guten Sinn für Linienführung und Gruppenarrangement offenbaren. Wie Schnorr von
Natur frisch und feurig augelegt ist, so drängten auch die Gebilde der jugendlichen Phan-
tasie ins Große und Bedeutende. Alles Heldenhafte zog ihn an, Homer wurde sein
Katechismus; zu den hohen Häuptern der italienischen Knnst schaute er mit glühender
Leidenschaft nnd trotziger Eifersucht empor; vor Allen Michel Angelo war damals sein
Ideal.
In der Kunstweise des Vaters hatte er bald ausgelernt, was Art und Technik der
Darstellung sowie den Phantasiegehalt anlangt. Wenn wir heute die Bilder Hans Veit
Schnorr's betrachten, ist es, als schauten wir künstliche Blnmen. Wir sehen sie vor uns in
sauberer Fülle, aber denuoch verläßt uns die Empfindung nicht, daß sie eigentlich verblüht
sind. Etwas rein Kindliches und zugleich Greiseuhaftes liegt in ihrer Erscheinung. Ge-
rührt verehren wir die reinen emsigen Hände, die sie schufen; aber das organische Leben
ist verduftet. Wer vollends verschmäht, sich mit Liebe in die Persönlichkeit des Schaffenden
zu versenken, der geht leer aus. Denn will man sich den ganzen Umschwung der
ästhetischen Bildung veranschaulichen, der sich seit zwei Menschenaltern bei uns vollzogen
hat, so muß mau vor Gemälde des alten Schnorr treten nnd sich erinnern, daß Goethe
und Schiller mit höchster Bewunderung und dankbarem Entzücken vor diesen Leistungen
gestanden haben. Erkenntnis der Schönheit und ihrer Gesetze nnd Anspruch an die Lei-
stungen der Künstler hat sich seit jenen Tagen wundersam verkehrt! Es ist, als hätten die
Heroen, deren Einfluß allen Künsten neuen Schwung und fenrigen Geist verlieh, Alles,
was sie an ästhetischem Vermögen besaßen, in diese Gebilde hineingeschant; wie viel besser
waren sie, die überall Spendenden, daran, als wir, die empfangen müssen, was uns die
Seele ausfüllen soll. Ihnen erweckte schon leisester Anklang den vollen Akkord erhabener
Harmonie, der mit ihren Geistern eins war; wir dagegen müssen nahezn Vollendung
schanen, ehe wir znr Uebereinstimmung erwärmt werden. Und doch haben wir Grund,
uns zu freueu, daß wir's so herrlich weiter gebracht; denu die, deren Leistungen so viel
größer sind als jene, gehören zu uns, sind Zöglinge desselben Jahrhunderts wie wir. Auf
den Künstlern aber, welche aus jenen Tagen herüberreichen und ihren Inhalt uns lebendig
vermitteln, liegt unvergängliche Weihe. Man würde ihnen weh und ihren ersten Lehrern
Unrecht thun, wollte man glauben, daß sie durch Bruch mit jener Vergangenheit zu Dem
geworden, was sie sind. Mit nichten; die unscheinbaren Gebilde von damals bergen etwas
in sich, was weit über ihre Erscheinung erhaben ist, den frommen schlicht-andächtigen Sinn,
der zu allen Zeiten den Künstlern Anleitung zum Höchsten gewesen ist; nur muß er Jedem
von selber aufgehu.
Die brave Gesinnnng in Kunst nnd Leben war das einzige Erbe, was der junge
Schnorr aus dem Aelteruhause in die Welt mitnahm. Er hat redlich damit gewuchert und
sie hat ihm, wie alle Tugend der Pietät, köstliche Frucht getragen. Den Stecken in der
Hand, den Ranzen auf dem Rücken zog 1811 der schlanke frohgemuthe Jüngling, sieb-
zehnjährig, nach Wien auf die Akademie, wohin zwei ältere Brüder ihm vorausgegangen
waren. Mit höchsten Erwartungen kam er; Enttäuschung empfing ihn. Fast von der ersten
Stunde seines Eintritts fühlte er Widerwillen gegen die Art, wie hier seiner Göttin mehr
gefröhnt als gedient wurde. Das Akademiewesen der Zeit war auf der Höhe des Forma-
 
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