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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0058

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Von Julius Meyer.

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verschmelzenden Vortrag dem in vollem Licht gemalten Fleisch einen eleganten Schimmer
zu verleihen weiß: eine Malerei, wie sie dem großen Publikum gefällt, das an einer ge-
wissen Glätte und Feinheit der Behandlung immer seine Freude hat. Nach einer Leda
(1864), die im Grunde nur eiue fleißige Studie war, hat er sich in dem — allerdings
durchaus mittelmäßigen — Salon von 1866 durch ein Bild hervorgethan, das die Phan-
tasie in eine gewisse Schwingung versetzte, während es das Auge angeuehm beschäftigte.
Im Grünen flüstert Amor einem schönen nackten Weibe, das man immerhin für eine Benus
Halten mag, allerlei süße Dinge in's Ohr; daß dies Geplauder die blonde, der Ueppigkeit
zureifende Gestalt in eine liebliche Aufregung versetzt, ist ihr wohl anzumerken, und so steht
dies Bild vor dem Beschauer wie die reizende Versinnlichung eines Liebestraums. Es ist
eine Nacktheit, die in ihrer zarten Färbung, ihrer zierlichen Vollendung auch ein Mädchen
noch anschauen mag, weil sie nicht geradezu lüstern ist, die aber doch, da es ihr an dem
reinigenden Ernst stilvoller Aufsassung gebricht, nnvermerkt durch die Phantasie in die
Sinnlichkeit sich einschleicht.
Von den jüngsten Schülern der Akademie haben Emile Levy, Eugene Fanre, Jean-
Jacques Henner und Georges Vibert ähnliche Wege eingeschlagen. Es sind leichte ge-
fällige Talente. Levy hat in diesem Jahre mit seiner „Idylle" entschiedene Anerkennung
gefunden, und Prinzessin Mathilde hat sich beeilt, das Bild zu kaufen, in dem diesmal
die Nacktheit halb verhüllt und mit einem Hauch mädchenhafter Unschuld übergossen ist.
In einer arkadischen Natur trägt Daphnis seine Chloe über den Bach, er hält sie wie ein
Kind auf deu Armen und sie umklammert ihn, halb in Angst, halb mit Vertrauen fest sich
auschmiegend. Die Ausführung, in der Zeichnung etwas kleinlich und in der Modellirung
flüchtig, ist doch in ihrer flüssigen Leichtigkeit nicht ohne Reiz. Die feinen ungewöhnlichen
Töne find wirkungsvoll zusammengestimmt, die zarten Formen der jugendlichen Gestalten
naturalistisch gehalten und von individuellem Gepräge. Daß sie verschleiert ist, macht indeß
die sinnliche Wirkung nicht schwächer. Schon das Gefallen an der Ungewißheit halbreifer
Formen, das in der französischen Kunst ganz neuerdings auftaucht, au der uoch geschlossenen
Blüthe des menschlichen Körpers, beruht sicher nicht allein auf der Keuschheit der Halb-
wüchsigen Gestalten; es mischt sich ein greisenhaftes Gelüste hinein der gegen derbe gesunde
Genüsse blasirten Zeit, man gefällt sich im Anblick einer Jungfräulichkeit, welche die
Begierde nicht unmittelbar reizt, aber das baldige Aufbrechen der Knospe ahnen läßt.
Daher auch die Vorliebe für die jungen Mädchen von Greuze, die nun eifrig wieder
hervorgesucht und mit den Preisen unzweifelhafter Raffaels bezahlt werden; das ver-
lockende Leben des 18. Jahrhunderts umschwebt auch diese Gestalten, deren verstohlene un-
faßbare Sinnlichkeit nur um so reizender ist. Selbst Künstler der ernsten idealen Richtung,
wie Amaury-Duval, der Schüler Ingres', haben nnn jene zweifelhafte Anmuth unent-
wickelter Formen zum Vorwurf genommen. So keusch durch die zarte, die Natur reinigende
Formendnrchbildung sein junges Mädchen scheint, das nach dem Bade noch nackt auf seineu
Gewändern sitzend mit der Puppe fpielt (Ausstellung 1864), so ist doch die künstlerische
Wirkung keine reine, weil hier zum Objekt der Kunst die noch unreife unfertige Schönheit
des Leibes, die unentschieden zwischen Kind und Jungfrau schwankende Form gemacht ist.
Mit den gleichen Versuchen, welche seit einigen Jahren die Plastik macht, ist es derselbe
Fall. Noch schlimmer aber ist, wenn der Maler, wie dies Henner in seinem „jungen
Mädchen" der Heurigen Ausstellung gethan, mit der Weichheit der halbreifen Glieder, mit
der Schmiegsamkeit und den milven unbestimmten Tönen des jungen Fleisches den Be-
schauer zu gewinnen trachtet.
Auch in der biblischen Mythe wissen diese Künstler Motive zu finden zu ansprechenden
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