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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0082

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Von Julius Moyer.

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Ende der fünfziger Jahre vollendete Ausmalung des Thronsaales im Luxembourg,
dem gegeuwärtigen Sitz des Senates. In der mittleren Kuppel eine vor lauter Bezie-
hungen unentwirrbare Apotheose des ersten Napoleon von Alaux, an den übrigen Theilen
der Decke kleinere allegorische Darstellungen des Kriegs und Friedens von Adolfe Brune,
an den beiden großen Schildbögen der Seitenwände nichts Geringeres als eine halb alle-
gorische, halb reale Schilderung der ganzen französischen Geschichte und Gesittung von
Henri Lehmann, an den Wänden endlich in einzelnen Gemälden von verschiedenen Künst-
lern die Begebenheiten des zweiten Kaiserreichs, unter denen die Vermählung des Kaisers
und die Taufe des Prinzen nicht vergesfen sind. Schon dies zufällige Zusammenwirken der
verschiedensten Kunstrichtungen macht die Ruhe und Einheit unmöglich, welche Bedingung
jeder monumentalen Dekoration ist: Alaux, zur Ausfülluug großer Flächen nicht ungeschickt,
stammt aus der alten klassischen Schule, Ad. Brune schließt sich in seiner mehr koloristi-
schen Weise an die Romantiker an, H. Lehmann ist ein namhafter aber manierirter Schüler
Ingres', der mit einer gefälligen Idealität der Form eine süße, auf das Laienauge berech-
nete Färbung verbindet. Ganz treffend ist übrigens dieses Verwerthen der mannigfaltigsten
Kräfte aufs Gerathewohl für den Charakter des Kaiserreichs. Nicht organisch, nicht in
innerem Zusammenhang zn einem geordneten Ganzen sich fügend, wachsen unter ihm die
Werke der Kunst aus dem Bodeu der nationalen Phantasie herauf, sondern je nach dem
Belieben der Behörden werden die Aufgaben vertheilt.. Wie die zu Grunde gelegten Ideen
ohne tieferes Verständniß befohlen sind, so sind es auch die ausführenden Talente. Auf
nichts weiter ist es abgesehen, als auf den Pomp eines rauschenden Konzertes von Formen
und Farben, worin historische Personen und personificirte Begriffe seltsam durcheinander-
klingen. Es ist überhaupt mit dieser Mischuug realer und allegorischer Figuren für unsere
Zeit ein eigen Ding. Noch dem siebzehnten Jahrhundert war es bei seiner gestaltenfrohen
Phantasie ein geläufiges Spiel, mit der noch malerischen Wirklichkeit die üppige Nacktheit
imaginärer Wesen, Götter und Nymphen heiter und arglos zu verschlingen und so den dürren
langweiligen Stamm der Haupt- uud Staatsaktionen mit den blüthenvollen Ranken einer
mythischen Welt zu beleben. Eine solche abenteuerliche Gesellschaft, wie sie uns z. B. Rubens
in den Medicibildern vorführt, war noch in der allgemeinen Vorstellung und daher auch
für den Künstler lebendig. Das Recht malerischer Erscheinung hat zwar dieselbe auch
Heute noch, wie ehedem; aber doch duldet der realistische Sinn des Zeitalters in seinem
Polizeistaate nur ungern jene lnftigen und mangelhaft bekleideten Wesen, die er als ge-
schäftslose Vagabunden betrachtet, und so hat nun der Künstler eine um so schwerere Arbeit,
ihnen unter den gesitteten Menschen, die sich über ihr historisches Heimatrecht ausweisen
können, wieder Aufnahme zu verschaffen. —
Nicht in demselben Charakter imperialistischer Pracht ist die neueste Ausstattung der
Paläste gehalten, welche die kaiserliche Familie bewohnt. Ihre eigenen Neigungen geben
hier den Ausschlag; das Staatskleid fällt weg und die Behaglichkeit des aus leichten geist-
reichen Genuß augelegten Privatlebens bestimmt die Umgebung. Der mit der Sitte des
achtzehnten Jahrhunderts verwandte Zug, der durch die moderne französische Gesellschaft
geht, spielt auch hier seine Rolle. Daher hat man in den Deckengemälden der Fragonard
und Boucher im Stil „Pompadour" ein höchst brauchbares Vorbild, gesunden, namentlich
für die Gemächer der Kaiserin in den Tuilerien. Dekorativ angesehen ist wahrlich so übel
das Muster nicht. Jene Nymphen und Amoretten, Floren und Zephyren zwischen leichten
Wolken schwebend, in graziösen Spielen und Wendungen des üppigen und doch leicht be-
schwingten, der Erdenschwere entrückten Leibes sich fliehend und suchend, umflattert, aber
nicht verhüllt von seidenen Gewändern, die der linde Hauch des Westwiudes aufbauscht;
 
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