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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0168
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Die französische Malerei seit 1848. Von Julius Meyer.

gethan; namentlich bekundet der Letztere — auch in den Bildern von 1866 — eine schlichte
Naturempfindung und koloristischen Sinn. — Im Elsaß endlich sind Brion und Marchal
zu Hause, während Jundt gern über die Grenze wandert zu den Bauern des Schwarz-
waldes, um ihre redliche unbeholfene Derbheit mit komischem Anflug zu schildern.

Doch auch bei fremden Nationen hat sich die Malerei nach dankbaren Stoffen umge-
sehen und sie namentlich bei südlichen Stämmen gefunden. Ungesucht kommt ihr hier ent-
gegen, was ihr die Prosa der Heimat versagt: freiere und vollere Formen, wärmere
Beleuchtungen und eine farbenreichere Welt. Das scharfe Auge des Realismus ist auch
hier ihr Begleiter; die Schönheit dieser Natur will sie doch mit den harten und zufälligen
Zügen vergegenwärtigen, welche die Noth des Lebens ihr eingegraben hat. Das italienische
Volksleben und die zauberhafte aber nun heruntergekommene Pracht des Morgenlandes —
das sind die Kreise, worin sie sich am liebsten bewegt. In jedem derselben hat sie einen
Meister aufzuweisen, dem die anderen Gattungen einen ebenbürtigen kaum an die Seite
setzen können: Hebert und Fromentin.
Von den Genremalern hat fast nur Hebert verstauben, seinen Figuren eine Seele,
eine tiefere Empfindung mitzugeben, aus deu dürftigen Gestalten des Volkes den Reich-
thnm inneren Lebens leuchten zu lassen. Dabei läßt er ihnen sowohl die Eigenheit der
Natur als jene charaktervolle Annnith, die dem römischen Laudvolke eigen ist. Denn dieses
ist sein Vorwurs, insbesondere die Franeu, die er gern am oder auf dem Wege zum
Braunen belanscht. Aechter Maler ist er zudem; um so eindringlicher thcilt sich dem Be-
schauer die Stimmung mit, welche aus seinen Figuren spricht, als sie im weichen Element
des Tons und in harmonischem Helldunkel über die ganze Scene sich legt. Freilich weiß
er immer nur eiu Register der Empfiudung zu zieheu. Es ist ein schwermüthiges, ein
träumerisches uud etwas kränkelndes Wesen, das seine Mädchen von Alvito, seine Cerva-
rolen (im Luxembourg), seiue Rosa Nera umsponuen hält, ihren großen dunklen Augen
einen matten Fieberglanz giebt und auch über die Farbe einen seinen Schleier breitet.
Daher der bläuliche ins Nebelhafte spielende Ton, der seinen Bildern einen eigenen Reiz
verleiht, aber das Mark seiner Personen und die Plastik ihrer Formen zn verzehren scheint.
— Das gegenwärtige Leben der Morgenländer, das nun ein beliebter Stoff geworden, hat
Keiner so lebendig und so malerisch geschildert wie Fromentin. Er saßt es durchaus
von seiner änßeren, sinnenfälligen Seite; aber zugleich trifft er seinen Charakter und jene
besondere Stimmung, welche der Orient durch das innige Verwachsensein des menschlichen
Daseins mit der landschaftlichen Natur mit sich bringt. Ganz aufgegangen sind seine
Figuren in diesem Naturleben, dabei immer leicht und sicher bewegt, von einer energischen
Realität. Meisterhaft ist aber namentlich, wie er das Licht- und Luftleben des Orients
in den verschiedenen Tageszeiten vergegenwärtigt und so einen leuchtenden harmonischen
Gesammtton erreicht, ohne die Lokalfarben abzutödten. Nur ist seine Malerei in ihrem
zarten dünnen Vortrag fast überfeinert und nicht selten auf besondere Wirkungen aus, die
das Charakteristische in das Seltsame, Launenhafte übertreiben. —
Nicht minder reich als das Sittenbild und noch eigenthümlicher hat sich die französi-
sche Landschaftsmalerei entwickelt (vergl. meine Gesch. der mod. franz. Malerei S. 719 ff.).
Wenn irgendwo, so hat auf diesem Felde die moderue Kunst verstanden die Natur mit
neuen Augen zu sehen und ihr einen neuen malerischen Ausdruck zu geben. Nicht, daß sie
deshalb die Alten, insbesondere die Holländer, überträfe; in der Freiheit der künstlerischen
 
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