Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

DOI article:
Jordan, Max: Aus Julius Schnorr's Lehr- und Wanderjahren[1]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0353

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Von Max Jordan. 291

Improvisation tragen die besten solcher Leistungen, obgleich gerade sie die größte Concentra-
tion, den durchgebildetsten Geschmack verlangen, weil hier vor allem Klarheit und Einfach-
heit gefordert ist. Die Figuren vollständig in den wie immer gestalteten Raum einzu-
schmiegen, ohne daß Lücken übrig bleiben, welche größer sind als die Theile der Komposition,
das ist die korrekte Lösung; wo das nicht möglich ist, scheint bei den Klassikern die Norm
zu gelten, lieber größere Stücke als kleine Theilabschnitte durch den Rahmen verdecken zu
lassen; denn das Auge ergänzt organische Hanpttheile williger als kleine Bruchstücke, wie
es auch Jnuenlinien mit denen der Raumgrenzen lieber in großen als in spitzen Winkeln
zusammenstoßen sieht.
Nur eigene Vergleichung aller Darstellungen kann das Urtheil darüber festsetzen, wie
Schnorr in seinem Roland-Chklus die Anforderungen formaler Komposition bis aus das
Subtilste erfüllt hat; Beschreibung ist nach dieser Richtung völlig ungenügend; aber auf das
Charakteristische wenigstens hinzudeuten, ist um so nöthiger, als man nicht selten über einzelnen
technischen Mängeln den großen Sinn, den abgeklärten Geschmack zn würdigen unterläßt, der
das Ganze beherrscht. — Was die Farbe anlangt, so sei zugestanden, daß die vierzig Jahre,
die seit Vollendung der Arbeit gerade jetzt voll werden, nicht spurlos vorübergegangen sind.
Die Freskotechnik war damals so gut wie neu; man mußte sie schrittwcis uud durch Probe
erlernen, und unser Künstler übte sie hier zum ersten Mal. Die Hand hat erstannliche
Fertigkeit an den Tag gelegt; die Bewältigung der Einzelpensa — der Maler kann nur
arbeiten, so lange der Kalk naß ist, muß also die Theile des Auftrags, die unterdessen trocken
geworden sind, wieder ausschneiden und daher bemüht sein, immer ein zusammenhängendes
Stück des Bildes aus einmal zu vollenden — zeigt bei der seinen Detaildurchführung Sicher-
heit und Schnelle; aber bei der Neuheit des Verfahrens ist sehr erklärlich, daß die Far-
benwirkung ost hinter der Intention zurückblieb. Denn es gehört andauernde Uebung und
reiche Erfahrung dazu, um die Veränderung, welche die ans nassem Grund dunkel erschei-
nenden Töne durch's Trocknen erhalten, immer richtig zu bemesseu. Nur darf der koloristi-
sche Werth der Bilder nicht nach dem Zustande beurtheilt werden, welchen sie jetzt leider
zum Theil zeigen. Die oft unharmonischen Kontraste der Vorder- und Mittelgrundtöne
sind vermuthlich ebenso wenig des Künstlers direktes Werk wie das oft verwendete, mit der
Zeit hell abgestorbene Blau.
Man hat ferner eine gewisse Ueberladung der Räume gerügt. Allerdings ist die
Größe mancher Figuren auffallend und es wird öfters ausgesprochen, daß eine Reduktion der
Maße, wenigstens was die Wandfelder anlangt, vortheilhaft gewesen wäre. Jndeß wir
glauben die Ursache dieses Eindruckes in etwas anderem suchen zu müssen. Da die Wände
von der Decke bis fast zum Boden und von einer Ecke zur andern durchweg mit Bildern
erfüllt sind, keine größeren Ornamentstreifen sich dazwischenschieben, so drängen sich die
Einzelnheiten dem Auge zu nahe auf, um bei der Kleinheit des Zimmers die richtige Wir-
kung Hervorrufen zu können. Denn diesem Theile der Malereien kommt das vorteilhafte
Moment mannigfaltig gegliederter Konstruktion und die geschmackvolle Benutzung derselben
durch Nachahmung eines Zeltdaches, die wir oben rühmten, noch nicht zu gute. Aber diese
etwas zu reichliche Fülle ist gemeinsames Merkmal sämmtlicher Fresken in der Villa
Massimi; es zeigt sich in noch höherem Grade im Dante-Zimmer und nicht viel minder in
dem des Tasso. Der Ueberfluß ist nichts anderes als der Ausdruck dafür, mit welcher Wonne
und welcher Unersättlichkeit die Künstler in der lang ersehnten Arbeitsweise schwelgten. Sie
konnten sich auch extensiv gar nicht genug thun; wo irgend möglich, wurde der Drang der
Seelen bildlich ausgesprochen. Sind dabei, wie begreiflich, ästhetische Bedenken zurückgeblieben,
so werden sie durch den sittlichen Eindruck, den solches freudiges und ernstes Schaffen
 
Annotationen