Von Max Jordan.
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Begabung für Landschaftsmalerei die Rede*). An den Wänden der Villa Massimi fanden
wir die erste bedeutende Anwendung, die ebenso großartig und zutreffend in der Idee wie
mustergiltig in der Ausführung, der historischen Malerei ein neues Gebiet erschließt und zur
Nacheiferung reiche Anweisung gibt. In dieser Richtung sich auszubilden, erhielt Schnorr
jetzt ausdrücklich Gelegenheit: er sollte in einer Reihe von Darstellungen sür den münchener
Königsbau die Odyssee behandeln, eine Aufgabe, welche den Geschmack dessen, der sie stellte,
in hohem Grade ehrt. Mit Hingebung ging der Künstler auf den Plan ein und begab sich
znm Zweck des Terrainstudiums nach Sicilien. Auf der Rückkehr in Messina jedoch erfuhr er,
daß der König die Idee aufgegeben habe. Statt dessen war ihm zugedacht, in Gemeinschaft mit
Cornelius einen Bildercyklus zum Nibelungenliede zu malen. Es ist bekannt, wie dann dieses
Projekt von Neuem umgeändert ward; aber wenn auch die stolzere Aufgabe den Künstler ent-
schädigen konnte, für uns bleibt beklagenswerth, daß jener frühere Gedanke fallen gelassen wurde.
Die erste schon ziemlich reise Frucht desselben ist auch die einzige geblieben. Wir geben sie
in einer genauen verkleinerten Nachbildung in Holzschnitt**). Daß Schnorr's unverschuldete
Untreue nachmals, wenn auch in anderem, so doch in ebenbürtigem Sinne durch Preller
gesühnt wurde, mag um des herrlichen Gegenstandes willen und als Beweis, wie schöne
Gedanken sich vererben, erinnert werden.
Die Scene ist dem 6. Buch der Odyssee entnommen. Nausikaa hat den Odysseus am
Meeresstrande gesunden und kehrt zur Stadt zurück.
Auf denn, Fremdling, und folg' in die Stadt uns, daß ich zur Wohuung
Meiues Vaters dich führe, des waltenden, wo du gewißlich
Seh'n wirst alle die Edlen des ganzen phäakischen Volkes.
Aber befolge mir dieß, — du scheinst nicht ohne Bedacht mir: —
Während noch durch die Aecker wie geh'n und die Werke der Menschen,
Wandele du mit den Mägden, dem Mäulergespann und dem Wagen
Hurtig zu Fuß nacheilend, wie ich des Weges vorangeh'.
Aber wenn wir die Häfen erreicht und die Straßen betreten,
Dorten vermiede ich gern unholdes Geschwätze, daß Niemand
Uns nachhöhnte; — man ist sehr übermüthig im Volke! -
Nahe am Wege erscheint uns ein lieblicher Hain der Athene,
Pappelgehölz, ihm entrinnet ein Quell, der die Wiese durchschläugelt,
Wo mein Vater ein Gut sich bestellt mit blühendem Garten,
Nur so weit' von der Stadt, wie erschallt volltönender Ausrnf.
Dort dich setzend verweil' ein weniges, bis daß wir Andern
Etwa die Mauern der Stadt und des Königs Behausung erreichen;
Aber sobald du denkst, daß wir bis dahin gelangt sei'n,
Dann flugs mache dich auf nach der Stadt, um dort zu erkuuden
Meines gepriesenen Vaters Alkinoos prangende Wohnung. —
Also sprach sie und hieb mit glänzender Geißel die Thiere
Hurtig zum Lauf; und sie eilten hinweg von des Stromes Gewässern,
Trabten behende und regten die leichtgebogenen Schenkel.
Doch wohl hielt sie die Zügel, damit auch die Gehenden folgten,
Ihre Mägd' und der Fremde, und brauchte die Geißel mit Klugheit.
Nieder tauchte die Sonne, sie kamen zum lieblichen Haine,
Pallas Athene geweiht. Dort blieb nun der edle Odysfeus,
Betend erhob er die Hände und Pallas Athene erhört' ihn.
*) Wir bemerken, daß die reiche Sammlung landschaftlicher Studien und Entwürfe Schnorr's, von
denen im ersten Aufsatz (in Heft I. ds. Jahrg. der Zeitschr.) die Rede war, vor kurzem in den Besitz des Herrn
Eduard Cichorius in Leipzig übergegangen ist. Von den photographischen Copien nach denselben bereitet
gegenwärtig die Verlagshandlung von Alphons Dürr in Leipzig eine neue Ausgabe vor, welche auf größere
Verbreitung angelegt ist.
^) Das Original, Federzeichnung in Sepia von 1827, 1 Elle 22^ Zoll lang und 1 Elle 4 Zoll
breit, ist Eigenthum des Herrn Kunsthändler P. Börner in Leipzig.
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Begabung für Landschaftsmalerei die Rede*). An den Wänden der Villa Massimi fanden
wir die erste bedeutende Anwendung, die ebenso großartig und zutreffend in der Idee wie
mustergiltig in der Ausführung, der historischen Malerei ein neues Gebiet erschließt und zur
Nacheiferung reiche Anweisung gibt. In dieser Richtung sich auszubilden, erhielt Schnorr
jetzt ausdrücklich Gelegenheit: er sollte in einer Reihe von Darstellungen sür den münchener
Königsbau die Odyssee behandeln, eine Aufgabe, welche den Geschmack dessen, der sie stellte,
in hohem Grade ehrt. Mit Hingebung ging der Künstler auf den Plan ein und begab sich
znm Zweck des Terrainstudiums nach Sicilien. Auf der Rückkehr in Messina jedoch erfuhr er,
daß der König die Idee aufgegeben habe. Statt dessen war ihm zugedacht, in Gemeinschaft mit
Cornelius einen Bildercyklus zum Nibelungenliede zu malen. Es ist bekannt, wie dann dieses
Projekt von Neuem umgeändert ward; aber wenn auch die stolzere Aufgabe den Künstler ent-
schädigen konnte, für uns bleibt beklagenswerth, daß jener frühere Gedanke fallen gelassen wurde.
Die erste schon ziemlich reise Frucht desselben ist auch die einzige geblieben. Wir geben sie
in einer genauen verkleinerten Nachbildung in Holzschnitt**). Daß Schnorr's unverschuldete
Untreue nachmals, wenn auch in anderem, so doch in ebenbürtigem Sinne durch Preller
gesühnt wurde, mag um des herrlichen Gegenstandes willen und als Beweis, wie schöne
Gedanken sich vererben, erinnert werden.
Die Scene ist dem 6. Buch der Odyssee entnommen. Nausikaa hat den Odysseus am
Meeresstrande gesunden und kehrt zur Stadt zurück.
Auf denn, Fremdling, und folg' in die Stadt uns, daß ich zur Wohuung
Meiues Vaters dich führe, des waltenden, wo du gewißlich
Seh'n wirst alle die Edlen des ganzen phäakischen Volkes.
Aber befolge mir dieß, — du scheinst nicht ohne Bedacht mir: —
Während noch durch die Aecker wie geh'n und die Werke der Menschen,
Wandele du mit den Mägden, dem Mäulergespann und dem Wagen
Hurtig zu Fuß nacheilend, wie ich des Weges vorangeh'.
Aber wenn wir die Häfen erreicht und die Straßen betreten,
Dorten vermiede ich gern unholdes Geschwätze, daß Niemand
Uns nachhöhnte; — man ist sehr übermüthig im Volke! -
Nahe am Wege erscheint uns ein lieblicher Hain der Athene,
Pappelgehölz, ihm entrinnet ein Quell, der die Wiese durchschläugelt,
Wo mein Vater ein Gut sich bestellt mit blühendem Garten,
Nur so weit' von der Stadt, wie erschallt volltönender Ausrnf.
Dort dich setzend verweil' ein weniges, bis daß wir Andern
Etwa die Mauern der Stadt und des Königs Behausung erreichen;
Aber sobald du denkst, daß wir bis dahin gelangt sei'n,
Dann flugs mache dich auf nach der Stadt, um dort zu erkuuden
Meines gepriesenen Vaters Alkinoos prangende Wohnung. —
Also sprach sie und hieb mit glänzender Geißel die Thiere
Hurtig zum Lauf; und sie eilten hinweg von des Stromes Gewässern,
Trabten behende und regten die leichtgebogenen Schenkel.
Doch wohl hielt sie die Zügel, damit auch die Gehenden folgten,
Ihre Mägd' und der Fremde, und brauchte die Geißel mit Klugheit.
Nieder tauchte die Sonne, sie kamen zum lieblichen Haine,
Pallas Athene geweiht. Dort blieb nun der edle Odysfeus,
Betend erhob er die Hände und Pallas Athene erhört' ihn.
*) Wir bemerken, daß die reiche Sammlung landschaftlicher Studien und Entwürfe Schnorr's, von
denen im ersten Aufsatz (in Heft I. ds. Jahrg. der Zeitschr.) die Rede war, vor kurzem in den Besitz des Herrn
Eduard Cichorius in Leipzig übergegangen ist. Von den photographischen Copien nach denselben bereitet
gegenwärtig die Verlagshandlung von Alphons Dürr in Leipzig eine neue Ausgabe vor, welche auf größere
Verbreitung angelegt ist.
^) Das Original, Federzeichnung in Sepia von 1827, 1 Elle 22^ Zoll lang und 1 Elle 4 Zoll
breit, ist Eigenthum des Herrn Kunsthändler P. Börner in Leipzig.