Die Tränke. Radirung von Rudolph Koller. 107
rechte. Der neue Versuch mit dem besseren Bindungsmittel das genauere Detail reicher
uud leichter auszuführen, kann ebensosehr weit früher fallen, und nach dem Versuch uud
der Einübung auch das Suermoudt'sche Bild, das Reife und Jugendlichkeit noch am meisten
verknüpft. Die Entstehungszeit dieses Madonnenbildes ist aber nicht nur den Genter
Tafeln, sondern in gleichem Grad einem anderen Werke gegenüber wichtig, das man für
Hnbert's Arbeit hält, den „Wassern des Libanon" zuerst in Valencia, jetzt in Madrid.
Grundgedanke und Komposition, Charaktere, Tracht, Ausdruck und Stellungen stehen dem
Genter Altar zu nahe, um zwischen der Ausführung beider einen langen Zwischenraum
glaublich zu lassen. Dennoch trennt beide nach Eastlake's Versicherung der Farbenton,
dem in den Wassern des Libanon der Ernst nnd die Tiefe ausfällig abgeht. Nun bildet
zwar Hubert die Farbeukraft der Suermondt'schen Tafel im Genter Bild selber bereits aus
den Außenflügeln in's Tageshellere freier aus uud sucht das bräuuliche Glühen durch leise
Kühlung im Licht vornehmlich zu sänftigen. Der Grundton der Wasser des Libanon
würde immer nach dieser Seite jedoch eine größere Abweichung bleiben, als mit Hubert's
naturgemäßen allmäligen Eutwickelungsschritten verträglich scheint.
Ob sich auch diese Frage vielleicht durch die Auuahme lösen läßt, daß dem Hubert nur
die Komposition des Madrider Hauptwerks, die Ausführung jedoch einem späteren
Schüler zugehöre; ob andere Annahmen den Thatbestand besser entsprechen, lasse ich für
diesmal dahingestellt. Ich kenne die „Wasser des Libanon" nur aus eiuer zwar treuen,
doch für solche Entscheidung ungenügenden Durchzeichnnng. Wie vieles muß überhaupt
noch durch archivarische Forschung und scharf eindringendes Kennerauge begründet werden,
bevor dieser ganze Meinungszwiespalt zum sicheren Ausgleich gelangen kann!
Für jetzt aber bleibt mir, ich wiederhole es, die Ueberzeugung in voller Kraft, daß
von allen Meistern der altflandrischen Schule, soweit sie bekannt sind, das Suermondt'sche
Bild ansschließlich demjenigen zukommen kann, der das Gelungenste auf deu Geuter Tafelu
gemalt wie erfunden hat. Unerweisbar dagegen und widersprechend erscheint mir die alte
uud neue Behauptung, Johann, statt des ältern Hubert, sei dieser hervorragendste Meister
gewesen. H. G. Hotho.
Die Tränke.
Radirnng von Rudolf Koller.
Wenn man am rechten Ufer des Zürichsees die Landstraße, die dicht von freundlichen
Wohnhäusern eingefaßt ist, eine halbe Stunde weit von der Stadt verfolgt, so kommt man
über einen Bach, der sich von links her aus eiuer waldigen Schlucht iu den See ergießt.
Geröll, Kiesgruud, vereiuzelte Weideu bezeichueu das unregelmäßige Bette des kleinen Ge-
wässers, dessen Umgebung durch welleusörmige Erhöhungen des Terrains, durch Schilf
uud Gestrüpp inmitten eiuer weit und breit jedes Fleckchen benutzenden Kultur einen natur-
wüchsig malerischen Eindruck macht. Eiue Laudzunge streckt sich scharf in den See hinein;
man nennt sie bezeichnend das Zürichhorn. Ans diesem Fleckchen hat man an allen klaren
Tagen ein entzückendes Bild: vor sich den See, jenseits von dem niedrigen Waldrücken des
Sihlthales nnd dem höheren langgestreckten Kamm des Albis mit seiner Uetlikuppe be-
gränzt, links aber weilhin gedehnt das majestätische Panorama der Alpen, unter denen die
breite Masse des Gleinisch wie eine Felsenburg aufragt. Aber auch an trüben Tagen, wo
rechte. Der neue Versuch mit dem besseren Bindungsmittel das genauere Detail reicher
uud leichter auszuführen, kann ebensosehr weit früher fallen, und nach dem Versuch uud
der Einübung auch das Suermoudt'sche Bild, das Reife und Jugendlichkeit noch am meisten
verknüpft. Die Entstehungszeit dieses Madonnenbildes ist aber nicht nur den Genter
Tafeln, sondern in gleichem Grad einem anderen Werke gegenüber wichtig, das man für
Hnbert's Arbeit hält, den „Wassern des Libanon" zuerst in Valencia, jetzt in Madrid.
Grundgedanke und Komposition, Charaktere, Tracht, Ausdruck und Stellungen stehen dem
Genter Altar zu nahe, um zwischen der Ausführung beider einen langen Zwischenraum
glaublich zu lassen. Dennoch trennt beide nach Eastlake's Versicherung der Farbenton,
dem in den Wassern des Libanon der Ernst nnd die Tiefe ausfällig abgeht. Nun bildet
zwar Hubert die Farbeukraft der Suermondt'schen Tafel im Genter Bild selber bereits aus
den Außenflügeln in's Tageshellere freier aus uud sucht das bräuuliche Glühen durch leise
Kühlung im Licht vornehmlich zu sänftigen. Der Grundton der Wasser des Libanon
würde immer nach dieser Seite jedoch eine größere Abweichung bleiben, als mit Hubert's
naturgemäßen allmäligen Eutwickelungsschritten verträglich scheint.
Ob sich auch diese Frage vielleicht durch die Auuahme lösen läßt, daß dem Hubert nur
die Komposition des Madrider Hauptwerks, die Ausführung jedoch einem späteren
Schüler zugehöre; ob andere Annahmen den Thatbestand besser entsprechen, lasse ich für
diesmal dahingestellt. Ich kenne die „Wasser des Libanon" nur aus eiuer zwar treuen,
doch für solche Entscheidung ungenügenden Durchzeichnnng. Wie vieles muß überhaupt
noch durch archivarische Forschung und scharf eindringendes Kennerauge begründet werden,
bevor dieser ganze Meinungszwiespalt zum sicheren Ausgleich gelangen kann!
Für jetzt aber bleibt mir, ich wiederhole es, die Ueberzeugung in voller Kraft, daß
von allen Meistern der altflandrischen Schule, soweit sie bekannt sind, das Suermondt'sche
Bild ansschließlich demjenigen zukommen kann, der das Gelungenste auf deu Geuter Tafelu
gemalt wie erfunden hat. Unerweisbar dagegen und widersprechend erscheint mir die alte
uud neue Behauptung, Johann, statt des ältern Hubert, sei dieser hervorragendste Meister
gewesen. H. G. Hotho.
Die Tränke.
Radirnng von Rudolf Koller.
Wenn man am rechten Ufer des Zürichsees die Landstraße, die dicht von freundlichen
Wohnhäusern eingefaßt ist, eine halbe Stunde weit von der Stadt verfolgt, so kommt man
über einen Bach, der sich von links her aus eiuer waldigen Schlucht iu den See ergießt.
Geröll, Kiesgruud, vereiuzelte Weideu bezeichueu das unregelmäßige Bette des kleinen Ge-
wässers, dessen Umgebung durch welleusörmige Erhöhungen des Terrains, durch Schilf
uud Gestrüpp inmitten eiuer weit und breit jedes Fleckchen benutzenden Kultur einen natur-
wüchsig malerischen Eindruck macht. Eiue Laudzunge streckt sich scharf in den See hinein;
man nennt sie bezeichnend das Zürichhorn. Ans diesem Fleckchen hat man an allen klaren
Tagen ein entzückendes Bild: vor sich den See, jenseits von dem niedrigen Waldrücken des
Sihlthales nnd dem höheren langgestreckten Kamm des Albis mit seiner Uetlikuppe be-
gränzt, links aber weilhin gedehnt das majestätische Panorama der Alpen, unter denen die
breite Masse des Gleinisch wie eine Felsenburg aufragt. Aber auch an trüben Tagen, wo