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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Teichlein, Anton: Betrachtungen über Dr. H. Riegel's Buch: "Cornelius, der Meister der deutschen Malerei"[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0175
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Von A. Teichlein. I.

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Leben des Meisters bilden und jene durchgreifende Revolution in ihm bewirken mußte, worüber er
selbst später an Raczynski schreiben konnte: „Es ist mir unmöglich, den Kreis geistiger Entwickelung
während meines Aufenthaltes in Rom in fo kurzen und dürftigen Notizen darzustellen. Aber ich
darf sagen, es wurden die Bahnen von Jahrhunderten durchkreist u. f. w." Wir bezweifeln,
ob feine spätere Thätigkeit auch nur annäherungsweise noch einmal fo erhebliche Unterschiede des
Stiles herbeigeführt habe, als jene große Umwälzung der römischen Epoche, aus welcher die Fresken
der Glyptothek als Hauptwerk Hervorgegangen sind. Das aber ist unsere innigste nicht zum er-
steumale ausgesprochene Ueberzeuguug: wenn jemals Cornelius und unsere Monumeutalmalerei
überhaupt „Klassisches" geschaffen hat, so sind es diese Fresken. Und so sehr wir die aus-
dauernde Schöpferkraft bewundern, welche uns in jenem andern Cyklus, dem die apokalyptischen
Reiter angehören, immer noch den nämlichen Cornelius offenbart, der er in der Glyptothek, ja
fchon auf dem Titelblatt der Nibelungen gewesen ist: geistvoller erfunden, künstlerischer angeordnet,
stilvoller oder — man verzeihe das handwerksmäßige Malerwort — besser gezeichnet als die Ge-
mälde der Glyptothek mag die Kartons zum Camposanto ein Anderer siudeu. Dieser Andere ist
aber Hr. I)r. Riegel. Denn erst die vierte, die Berliner Epoche, bezeichnet er als die „eigent-
lich klassische." Aus welchem Grunde? Das wissen wir zum vorhinein. Offenbar zuvörderst aus
dem nämlichen Grunde, welcher ihn bestimmt hat, Cornelius selbst Schinkel und Thorwaldfen
gegenüber einen Vorzug einzuräumeu, insofern der Maler nämlich die große Aufgabe der Zeit im
ausgedehntesten Maße gelöst „und auch für die höchsten christlichen Ideen (im Domhof) die
klaffische Verkörperung gefunden" habe. Wir lassen dies vorläufig auf sich beruheu und
durchmustern nun die vier Abschnitte des Werkes.
Da wir in Cornelius iu erster Linie die Krastnatur, den Genius von Heftiger Gemüthsart,
das Pathos der glühenden Leidenschaft, den Maler gewaltigster Bewegung und energischestem Aus-
druckes — mit Vischer's in diesem Sinn höchst glücklichem Wort: — einen „Recken in der Kunst" be-
wundern, dürfen wir als für diese Auffassung bedeutsam nicht unbemerkt lassen, was Riegel im
Vorbeigehen erwähnt. Dies ist der Umstand, daß die ersten Versuche eigeuer Komposition, die
Peter der Knabe entwarf, Schlacht- und Jagdfceuen gewesen sind. — Zu deu besteu Parthieu
des Buches rechneu wir, wie schou aus der bereits ausgesprochenen Uebereinstimmung mit dem Ver-
fasser hinsichtlich feiner Wahrnehmung des Stiles hervorgeht, die Erörterungen über die Erstlings-
werke (Faust und Nibelungen). — Auch die Würdigung der Glyptothek enthält viel Vortreffliches.
Hierbei sei es vergönnt, etwas länger zu verweileu; denn nach uns ist sie nicht blos das Hauptwerk
der zweiten Epoche, sondern geradezu das Hauptwerk des Meisters. Riegel betont es mehrfach
mit Nachdruck und mit Recht als die größte Wohlthat, daß Cornelius durch diesen ersten großen
Auftrag König Ludwig's in die „Fülle des Alterthums" hineingeworfen wurde. Seite 84—85
lesen wir:
„Als Cornelius mit Ludwig zu Rom im April 1818 abschloß, lebte er noch sehr im Mittelalter ....
zunächst im Dante vertieft und dann immer mit der Bibel beschäftigt.... Cornelius' kraftvoll gesunde
Natur würde sicher nie, dies bin ich überzeugt, einem kränklichen Mystieismus oder schwächlichem Pietis-
mus sich unterworfen haben, allein wahrscheinlich ist es doch, daß seine Entwickelung für die Folge eine
andere geworden wäre, wenn Ludwig nicht dazwischen getreten, wenn ihm statt der mythologischen Fresken
damals sogleich katholische Kirchenbilder ausgetragen worden wären."
Eine andere oftmals und von Hervorragenden Künstlern ausgesprochene Ansicht geht nun freilich
dahin, es fei zu beklagen, daß Cornelius statt mit der Glyptothek nicht mit den später von Schnorr
ausgeführten Nibelungensälen betraut worden sei, wofür er feinen ganz besonderen Beruf bereits in
feinen Erstlingswerken dargethan hatte. Was sollen wir in diesem Bezüge sagen? Höchstens: es
ist Schade, daß Cornelius nicht die Nibelungen auch in großen Wandgemälden auszuführeu Ge-
legenheit fand. Wer von uns aber möchte für die Erfüllung dieses Wunsches die Glyptothek hin-
geben? Allerdings wies ihn das Reckenhafte feiner Künstlernatur mehr auf die nordische Sagenwelt
als auf die griechische Mythologie. Aber gerade darum erblicken wir mit Niegel eine für feinen Ent-
wickelungsgang höchst glückliche Fügung, welche wir der Initiative König Ludwig's uicht genug
danken können, eben in dem Umstande, daß Cornelius damals vom Mittelalter, von Dante
Zeitschrift für bildende Kunst. II.
 
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