Die Kunstkammer S. K. Hoheit des Fürsten Karl Anton von Hohenzoklern-Sigmaringen. 145
mung beruht, daß nirgends die Maschine, die Fabrikarbeit, sondern überall die unverdrossene Hand
des sorgsam vollendenden Künstlers zn spüren ist.
Diesen Eindruck giebt uns auch das neueste Werk des Verfassers, welches in seinen beiden
ersten Lieferungen uns vorliegt. Es setzt sich das Ziel, denjenigen Theil der reichen Sammlungen
aus dem Schlosse Sigmaringen, welcher die kleineren Kunstwerke und Geräthschasten umfaßt, zur
Anschauung zu bringeu. Es ist eiu schönes Zeugniß des regen kunstwissenschaftlichen Sinnes unserer
Zeit, daß solche Kunstkammern, die in den vorigen Jahrhunderten nur unter dem Gesichtspunkt von
Raritäten einer müßigen Neugier dienten, jetzt wieder in ernsterem Sinn als Zeugnisse des Geistes-
lebens und des Kunstsinnes der Vergangenheit gewürdigt und dem Stadium vorgeführt werden. So
lange ein unbeirrtes, wenn auch vielleicht häufig irrendes Stilgefühl alle Lebensänßerungen be-
herrschte, wie es noch in dem mit Unrecht verrufenen vorigen Jahrhundert der Fall war, hatte man
keine Veranlasfung, sich nach älteren Mustern umzuthnn; heute aber, wo wilde Stillosigkeit, fahrige
Unsicherheit in unseren kunstgewerblichen Produktionen sich breit macht, bedürfen wir dringend der
Vorbilder, und es muß schon als ein Schritt znr Besserung betrachtet werden, daß wir angefangen
haben dies einzusehen. Mit Recht legt man deshalb nenerdings Werth ans solche Sammlungen
werthvoller alter Geräthe; aber um so bedauerlicher, daß die Mehrzahl derselben fern von den
großen Mittelpunkten des modernen Lebens gleichsam in der Einsamkeit brach liegen! So ist es
mit der Sammlung Minutoli in Liegnitz, sür welche man in dem armen preußischen Staate nicht
die Mittel finden kann, sie zn erwerben und in Berlin der allgemeinen Benntzung zugänglich zu
machen. Wahrscheinlich wird diese schöne Sammlung demnächst ins Ausland wandern, und wir
werden uns noch glücklich schätzen müssen, daß ein Theil derselben wenigstens in tresflichen Farben-
druck („Kunstgewerbliches Modell- und Musterbuch" von J. Chr. Matthias. Leipzig bei E. A.
Seemann) gegenwärtig herausgegeben wird. Auch die reiche Kunstkammer des Fürsten von Hohen-
zollern-Sigmaringen ist an ihrem abgelegenen Orte nnr Wenigen zugänglich; um so mehr verdient
die hochsinnige Absicht des erlauchten Besitzers Dank, sie in so meisterhaften Darstellungen dem
Publiknm zugänglich zu machen nnd mit diesem Werke den Mann zu betrauen, der vor allen An-
dern dafür wie geschaffen scheint.
Der Werth dieser wie aller ähnlichen Publikationen Hefner's beruht auf der sorgfältigeu, stil-
getreuen Aufnahme der Originale, die nicht blos in geometrischer Darstellung, sondern wo es nöthig
ist, auch mit Grundrissen und Durchschnitten zur allseitigen Anschauung gebracht werden, so daß sie
dem Künstler und Gewerbtreibenden unmittelbar als Vorlage dienen können. Dazu gesellt sich ein
beschreibender Text in deutscher und französischer Sprache, der von den umfassenden Kenntnissen des
Herausgebers Zeugniß ablegt, indem er über Entstehungszeit, Stil, Technik und Gebrauch der
dargestellten Gegenstände eine völlig befriedigende Auskunft giebt. Die Auswahl, wie sie in den
beiden vorliegenden Lieferungen von je 6 kolorirten Blättern mit dazu gehörigem Texte sich zeigt,
faßt das künstlerisch Bedeutende, Mustergültige zuuächst ins Auge uud nimmt wie billig nur aus-
nahmsweise auf das blos antiquarisch oder kunstgeschichtlich Merkwürdige Rücksicht.
Blatt 1 bringt ein Reliquiarium aus dem 12. Jahrhundert zur Anschauung, eines jener zahl-
reichen kleinen Prachtgeräthe des romanischen Stiles, aus vergoldeten Kupferplatten gravirte Figuren
von Aposteln und Engeln enthaltend, die sich von einem blau emaillirten Grunde wirksam abheben.
Originell ist ein aus hohlgeschliffeuem Bergkrystall gebildetes Kuppeldach, welches sammt dem auf
der Spitze befestigten Röhrchen zur Vorzeigung der Reliquien diente. Die zweite Tafel enthält ein
kleines Hausaltärchen vom Ende des 15. Jahrhunderts, in zierlich bemalter und vergoldeter Elfen-
beinschnitzerei, und das Fragment eines ähnlich behandelten Kästchens mit hübschem Maaßwerk und
Inschrift auf roth gemaltem Grunde. Bieten diese beiden Tafeln ein antiquarisches und kunst-
historisches Interesse, so haben die ans den folgenden Blättern abgebildeten Gegenstände einen selb-
ständig künstlerischen Werth. So auf Tafel 3 der herrliche Münzpokal aus der schönsten Zeit der
Renaissance, ehemals im Besitze des Klosters Eberbach am Rhein. Er besteht aus einzelnen Stücken
Bergkrystall, die aus zierlichste Weise in vergoldetes Silber gefaßt sind, und ist außerdem am Fuß
uud am oberen Rande des Kelches mit silbernen römischen Kaisermünzen geschmückt. Der herrliche
Umriß, die geschmackvolle Anordnung, die eleganten Ornamente, alles vereinigt sich, um ein wahres
mung beruht, daß nirgends die Maschine, die Fabrikarbeit, sondern überall die unverdrossene Hand
des sorgsam vollendenden Künstlers zn spüren ist.
Diesen Eindruck giebt uns auch das neueste Werk des Verfassers, welches in seinen beiden
ersten Lieferungen uns vorliegt. Es setzt sich das Ziel, denjenigen Theil der reichen Sammlungen
aus dem Schlosse Sigmaringen, welcher die kleineren Kunstwerke und Geräthschasten umfaßt, zur
Anschauung zu bringeu. Es ist eiu schönes Zeugniß des regen kunstwissenschaftlichen Sinnes unserer
Zeit, daß solche Kunstkammern, die in den vorigen Jahrhunderten nur unter dem Gesichtspunkt von
Raritäten einer müßigen Neugier dienten, jetzt wieder in ernsterem Sinn als Zeugnisse des Geistes-
lebens und des Kunstsinnes der Vergangenheit gewürdigt und dem Stadium vorgeführt werden. So
lange ein unbeirrtes, wenn auch vielleicht häufig irrendes Stilgefühl alle Lebensänßerungen be-
herrschte, wie es noch in dem mit Unrecht verrufenen vorigen Jahrhundert der Fall war, hatte man
keine Veranlasfung, sich nach älteren Mustern umzuthnn; heute aber, wo wilde Stillosigkeit, fahrige
Unsicherheit in unseren kunstgewerblichen Produktionen sich breit macht, bedürfen wir dringend der
Vorbilder, und es muß schon als ein Schritt znr Besserung betrachtet werden, daß wir angefangen
haben dies einzusehen. Mit Recht legt man deshalb nenerdings Werth ans solche Sammlungen
werthvoller alter Geräthe; aber um so bedauerlicher, daß die Mehrzahl derselben fern von den
großen Mittelpunkten des modernen Lebens gleichsam in der Einsamkeit brach liegen! So ist es
mit der Sammlung Minutoli in Liegnitz, sür welche man in dem armen preußischen Staate nicht
die Mittel finden kann, sie zn erwerben und in Berlin der allgemeinen Benntzung zugänglich zu
machen. Wahrscheinlich wird diese schöne Sammlung demnächst ins Ausland wandern, und wir
werden uns noch glücklich schätzen müssen, daß ein Theil derselben wenigstens in tresflichen Farben-
druck („Kunstgewerbliches Modell- und Musterbuch" von J. Chr. Matthias. Leipzig bei E. A.
Seemann) gegenwärtig herausgegeben wird. Auch die reiche Kunstkammer des Fürsten von Hohen-
zollern-Sigmaringen ist an ihrem abgelegenen Orte nnr Wenigen zugänglich; um so mehr verdient
die hochsinnige Absicht des erlauchten Besitzers Dank, sie in so meisterhaften Darstellungen dem
Publiknm zugänglich zu machen nnd mit diesem Werke den Mann zu betrauen, der vor allen An-
dern dafür wie geschaffen scheint.
Der Werth dieser wie aller ähnlichen Publikationen Hefner's beruht auf der sorgfältigeu, stil-
getreuen Aufnahme der Originale, die nicht blos in geometrischer Darstellung, sondern wo es nöthig
ist, auch mit Grundrissen und Durchschnitten zur allseitigen Anschauung gebracht werden, so daß sie
dem Künstler und Gewerbtreibenden unmittelbar als Vorlage dienen können. Dazu gesellt sich ein
beschreibender Text in deutscher und französischer Sprache, der von den umfassenden Kenntnissen des
Herausgebers Zeugniß ablegt, indem er über Entstehungszeit, Stil, Technik und Gebrauch der
dargestellten Gegenstände eine völlig befriedigende Auskunft giebt. Die Auswahl, wie sie in den
beiden vorliegenden Lieferungen von je 6 kolorirten Blättern mit dazu gehörigem Texte sich zeigt,
faßt das künstlerisch Bedeutende, Mustergültige zuuächst ins Auge uud nimmt wie billig nur aus-
nahmsweise auf das blos antiquarisch oder kunstgeschichtlich Merkwürdige Rücksicht.
Blatt 1 bringt ein Reliquiarium aus dem 12. Jahrhundert zur Anschauung, eines jener zahl-
reichen kleinen Prachtgeräthe des romanischen Stiles, aus vergoldeten Kupferplatten gravirte Figuren
von Aposteln und Engeln enthaltend, die sich von einem blau emaillirten Grunde wirksam abheben.
Originell ist ein aus hohlgeschliffeuem Bergkrystall gebildetes Kuppeldach, welches sammt dem auf
der Spitze befestigten Röhrchen zur Vorzeigung der Reliquien diente. Die zweite Tafel enthält ein
kleines Hausaltärchen vom Ende des 15. Jahrhunderts, in zierlich bemalter und vergoldeter Elfen-
beinschnitzerei, und das Fragment eines ähnlich behandelten Kästchens mit hübschem Maaßwerk und
Inschrift auf roth gemaltem Grunde. Bieten diese beiden Tafeln ein antiquarisches und kunst-
historisches Interesse, so haben die ans den folgenden Blättern abgebildeten Gegenstände einen selb-
ständig künstlerischen Werth. So auf Tafel 3 der herrliche Münzpokal aus der schönsten Zeit der
Renaissance, ehemals im Besitze des Klosters Eberbach am Rhein. Er besteht aus einzelnen Stücken
Bergkrystall, die aus zierlichste Weise in vergoldetes Silber gefaßt sind, und ist außerdem am Fuß
uud am oberen Rande des Kelches mit silbernen römischen Kaisermünzen geschmückt. Der herrliche
Umriß, die geschmackvolle Anordnung, die eleganten Ornamente, alles vereinigt sich, um ein wahres