Von Jan van der Meer von Delft.
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sagen. Es sind zum größten Theile Figurenbilder meist kleineren Formats, Kabinetsstücke in
der Weise der Terburg, de Hoogh und Metsu, sodann Porträts, Städte- Häuser- und
Straßenansichten, Landschaften und Stillleben. In allen diesen verschiedenen Gattungen
bekundet der Künstler ein lebendiges Naturgefühl und eine ächt malerische Auffassung, ver-
bunden mit einer gewandten Technik und einem ausgebildeten Sinne für Farbenharmonie, der
auch die brillantesten Töne mit voller Sicherheit für die Gesammtwirkung anschlägt. Der
Schwerpunkt seines Talents ist in der überwiegenden Zahl jener Genrebilder zu sinden,
die sich meistentheils auf einzelne, nur als Kniestücke gegebene Figuren beschränken.
Die Art und Weife, wie die dargestellten Personen inmitten ihrer behaglich eingerichteten
Häuslichkeit sich unterhalten und beschäftigen, Musik machen, lesen, sich vor dem Spiegel
putzen, erinnert in manchen Fällen an Terburg, indem sie die Phantasie des Beschauers
anregt, sich über die gegebene Situation hinaus mit den Verhältnissen der einzelnen Persön-
lichkeiten zu befassen und hinter dem Bilde ein kleines Histörchen zu vermuthen, in welchem
Gott Amor eine Rolle spielt. Dieser Art ist auch das für unsern Meister höchst charak-
teristische Gemälde in der Sammlung des Herrn L. Double in Paris, welches wir unsern
Lesern in einer meisterhaften Radirung von Jules Jacquemart mittheilen. Zwanglos
und wie vom Augenblick gegeben ist die Haltung des jugendlichen Paars, dessen weiblicher
Theil mit schelmischem Lächeln die Bedenken zu zerstreuen sucht, welche dem schmucken
Kriegsmann eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen scheinen; beides prächtige Gestalten,
von frischer Lebensfülle, ganz der Situation hingegeben, ganz erfüllt von dem, was in
ihrem Innern vorgeht. Diese physiognomische Wahrheit des Ausdruckes hat ein Terburg
kaum je erreicht, und wenn Jan Steen in der Schärfe der Charakteristik vor unserm
Bilde nicht zu weichen braucht, so ist ihm doch das Trauliche und Gemüthliche der
Stimmung versagt, welches der Darstellung einen eigenen Reiz verleiht. Was unseren
Meister von Pieter de Hoogh unterscheidet, macht unser Bild nicht minder klar und deutlich.
Bei diesem Künstler ist der malerische Reiz, der in der Beleuchtung von Jnnenräumen
durch ein scharf von der Seite einfallendes Sonnenlicht liegt, Alles oder doch die Haupt-
sache. Seine Figuren haben kaum eine größere Bedeutung als die leblosen Gegenstände,
an denen sich die Wirkung des Lichtes geltend macht. Van der Meer führt uns nur den
Winkel eines Zimmers vor, der grade groß genug ist, um den Tisch und das daran sitzende
Paar aufzunehmen. In erster Linie steht bei ihm die Charakteristik der Personen, die er
dem Beschauer vorführt. Der Glanz des Sonnenlichtes, die magische Wirkung des Hell-
dunkels tritt lediglich als Stimmungsmoment hinzu. Für den ersten Augenblick herrscht das
rein Malerische vor, weicht aber bei längerer Betrachtung sehr bald hinter den reichen
Lebensinhalt der Figuren zurück, der mit größerer Macht das Interesse des Beschauers
fesselt. Das Sonnenlicht fällt auf unserm Gemälde mit solcher Klarheit ein, daß für den,
der es zum ersten Male in der Sammlung des Herrn Double erblickt, der Verdacht nahe
liegt, als ob zwischen Rahmen und Bildfläche eine künstliche Beleuchtung eingeführt fei.
Der volle Lichtglanz trifft Kopf und Brust des Mädchens, während die Gestalt des jungen
Kriegers sich in dunkler Silhouette von der Hellen Wand absetzt. Wie prächtig stehen zu
den muntern Zügen der erglühten Schönen, die mit Auge, Muud und Hand zugleich spricht,
die sonnigen Reflexe, die ihren Reizen zu Hülfe kommen! Wie meisterlich stimmt die kühle
Ruhe des Schattens zu der reservirten Haltung des angehenden Kriegshelden, der sich
nicht blenden, nicht fesseln lassen möchte, aber kaum noch Widerstand zu leisten vermag!
In der Behandlung des Helldunkels ist van der Meer naturgerechter als sein großes
Vorbild. Er läßt nie, wie es wohl Rembrandts Art ist, im tiefsten Schatten die Formen
gänzlich verschwimmen und in eine dunkle ungegliederte Masse übergehen. Auch die geniale
Zeitschrift für bildende Kunst. II. 23
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sagen. Es sind zum größten Theile Figurenbilder meist kleineren Formats, Kabinetsstücke in
der Weise der Terburg, de Hoogh und Metsu, sodann Porträts, Städte- Häuser- und
Straßenansichten, Landschaften und Stillleben. In allen diesen verschiedenen Gattungen
bekundet der Künstler ein lebendiges Naturgefühl und eine ächt malerische Auffassung, ver-
bunden mit einer gewandten Technik und einem ausgebildeten Sinne für Farbenharmonie, der
auch die brillantesten Töne mit voller Sicherheit für die Gesammtwirkung anschlägt. Der
Schwerpunkt seines Talents ist in der überwiegenden Zahl jener Genrebilder zu sinden,
die sich meistentheils auf einzelne, nur als Kniestücke gegebene Figuren beschränken.
Die Art und Weife, wie die dargestellten Personen inmitten ihrer behaglich eingerichteten
Häuslichkeit sich unterhalten und beschäftigen, Musik machen, lesen, sich vor dem Spiegel
putzen, erinnert in manchen Fällen an Terburg, indem sie die Phantasie des Beschauers
anregt, sich über die gegebene Situation hinaus mit den Verhältnissen der einzelnen Persön-
lichkeiten zu befassen und hinter dem Bilde ein kleines Histörchen zu vermuthen, in welchem
Gott Amor eine Rolle spielt. Dieser Art ist auch das für unsern Meister höchst charak-
teristische Gemälde in der Sammlung des Herrn L. Double in Paris, welches wir unsern
Lesern in einer meisterhaften Radirung von Jules Jacquemart mittheilen. Zwanglos
und wie vom Augenblick gegeben ist die Haltung des jugendlichen Paars, dessen weiblicher
Theil mit schelmischem Lächeln die Bedenken zu zerstreuen sucht, welche dem schmucken
Kriegsmann eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen scheinen; beides prächtige Gestalten,
von frischer Lebensfülle, ganz der Situation hingegeben, ganz erfüllt von dem, was in
ihrem Innern vorgeht. Diese physiognomische Wahrheit des Ausdruckes hat ein Terburg
kaum je erreicht, und wenn Jan Steen in der Schärfe der Charakteristik vor unserm
Bilde nicht zu weichen braucht, so ist ihm doch das Trauliche und Gemüthliche der
Stimmung versagt, welches der Darstellung einen eigenen Reiz verleiht. Was unseren
Meister von Pieter de Hoogh unterscheidet, macht unser Bild nicht minder klar und deutlich.
Bei diesem Künstler ist der malerische Reiz, der in der Beleuchtung von Jnnenräumen
durch ein scharf von der Seite einfallendes Sonnenlicht liegt, Alles oder doch die Haupt-
sache. Seine Figuren haben kaum eine größere Bedeutung als die leblosen Gegenstände,
an denen sich die Wirkung des Lichtes geltend macht. Van der Meer führt uns nur den
Winkel eines Zimmers vor, der grade groß genug ist, um den Tisch und das daran sitzende
Paar aufzunehmen. In erster Linie steht bei ihm die Charakteristik der Personen, die er
dem Beschauer vorführt. Der Glanz des Sonnenlichtes, die magische Wirkung des Hell-
dunkels tritt lediglich als Stimmungsmoment hinzu. Für den ersten Augenblick herrscht das
rein Malerische vor, weicht aber bei längerer Betrachtung sehr bald hinter den reichen
Lebensinhalt der Figuren zurück, der mit größerer Macht das Interesse des Beschauers
fesselt. Das Sonnenlicht fällt auf unserm Gemälde mit solcher Klarheit ein, daß für den,
der es zum ersten Male in der Sammlung des Herrn Double erblickt, der Verdacht nahe
liegt, als ob zwischen Rahmen und Bildfläche eine künstliche Beleuchtung eingeführt fei.
Der volle Lichtglanz trifft Kopf und Brust des Mädchens, während die Gestalt des jungen
Kriegers sich in dunkler Silhouette von der Hellen Wand absetzt. Wie prächtig stehen zu
den muntern Zügen der erglühten Schönen, die mit Auge, Muud und Hand zugleich spricht,
die sonnigen Reflexe, die ihren Reizen zu Hülfe kommen! Wie meisterlich stimmt die kühle
Ruhe des Schattens zu der reservirten Haltung des angehenden Kriegshelden, der sich
nicht blenden, nicht fesseln lassen möchte, aber kaum noch Widerstand zu leisten vermag!
In der Behandlung des Helldunkels ist van der Meer naturgerechter als sein großes
Vorbild. Er läßt nie, wie es wohl Rembrandts Art ist, im tiefsten Schatten die Formen
gänzlich verschwimmen und in eine dunkle ungegliederte Masse übergehen. Auch die geniale
Zeitschrift für bildende Kunst. II. 23