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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die bildende Kunst auf der Weltaustellung[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0266

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Die bildende Kunst ans der Weltausstellung. Bon Julius Meyer.

Wohlstandes, das Alles kommt in gewissem Sinne auch der Kunst zu Gute. Belebend wirkt auf
sie der größere Wirkungskreis zurück, iu den sie mit kosmopolitischem Schritt eingetreten ist. Andrer-
seits freilich wird sie täglich mehr aus dem organischen Zusammenhänge Herausgedrängt, Worin einst
die bildenden Künste sowohl unter sich als in ihren Beziehungen zum Leben ein unlösbares Ganzes
bildeten. Fast ist sie nur noch eine Sache des Schmucks, seit sie der zugleich erhebende und be-
freiende Ausdruck der die Völker und Zeiten bewegenden aber auch beschränkenden Ideale nicht mehr
ist. Unsere Ideale sind Ziele, denen wir mit klarem Bewußtsein und voller Willenskraft zustreben.
Allein noch erfüllen sie nicht unsere Anschauung, unsere Phantasie mit neuen Gestalten; denn am
Beginn des Weges sehen wir sie erst in ungewisser Ferne. Ganz eigner Art ist daher die Stellung
der modernen Welt zur Kunst. Kein Glaube mehr umgiebt uns mit einer gestaltensrohen Götter-
welt, und noch sind wir mit der Wirklichkeit nicht so weit zu Staude, um sie zu charaktervollen
Formen auszuprägen. Alles ist noch Versuch, unfertig, Mittel zum Leben, vorläufiges Ergebniß,
Waare und Material. Ein ungeheurer Markt ist diese Welt, auf dem alle Gegenstände, kaum
producirt und umgestaltet, unablässig dem allgemeinen Flusse und Wandel übergeben werden.
Nicht so ganz zufällig ist es daher, daß die Weltausstellung dieses Jahres, wohl die letzte für lange
Zeit, als den ersten in die Augen springenden Charakterzug das Ansehen eines immensen Jahr-
marktes Hat.
Daß man diesem neuesten Weltauszug ein monumentales Kleid anzulegen nicht einmal ver-
sucht hat, war ganz in der Ordnung. Noch die Ausstellung von 1855 ließ sich in Wände
schließen, denen man ein künstlerisches Kleid aufheften konnte. Diesmal sollte nicht nur was in der
Gegenwart die Natur im Dienste des Menschen und Menschenhände hervorbringen, zu flüchtigem
Stelldichein zusammentreffen, vom simpelsten Rohprodukt bis zum feinsten Miniaturbildchen und
der Riefenkanone von Krupp, — foudern auf europäischem Boden auch ganze Monumente fremder
Nationen zu Gaste kommen. Welches Gewand hätte für einen solchen Riesenkörper ausgereicht?
Doch auch Körper kann nicht heißen, was aus den verschiedenartigen Stücken für einen Moment
zusammeugetragen ist. Nichts daher von einem künstlerischen Rahmen, worein das Ganze sich
fügte. Es ist bekannt, wie man darauf namentlich im Ausstellungsgebäude gänzlich verzichtet, da-
gegen in einer concentrischen Anlage von sieben elliptischen Ringen (für die sieben verschiedenen
Hauptgruppen), welche von den verschiedenen Ländern strahlenförmig durchschnitten wird, eine höchst
praktische Eintheilung gefunden Hat.
Auch iu dem umgebenden Parke hat man keinerlei Versuch gemacht, die vielfachen Baulichkeiten
zu einzelnen Gruppen von irgendwelcher monumentalen Wirkung anzuordnen. Zufällig, fast wie
ein Knabenspiel von Cyklopen, sind sie zwischen den Anlagen umhergestreut, deren Grün, seit
gestern emporgetrieben, ängstlich und blaß aus diesen künstlichen Steinhaufen Hervorschaut. Nicht
einmal malerisch wirkt die Vertheilung, da Alles bunt durcheinanderliegt und Alles neu, scharf, eckig,
unbewohnt, ungebraucht, mit den verschiedensten Eindrücken die Sinne des Beschauers umwirbelt.
Nirgends also Stimmung und Sammlung. Wie vom rastlosen Räderwerk der Zeit selber
und seinem verwickelten Gange könnte man sich umgetrieben glauben, wenn Einen nicht immer die
Empfindung begleitete, daß dies Alles vielmehr ein Spiel sei. Das ist es auch in der That, und
im leichtesten Sinn des Wortes, für den bei weitem größten Theil des Publikums. Mit holdem
Flattersinn hüpft das namentlich bei feinen Parkpromenaden von Bau zu Bau. wie von Ueber-
rasckung zu Ueberraschung und ist nachher so klug als wie zuvor. Im Grunde ist auch nicht
Weniges davon bloße Spielerei. Wahrlich, wer nüchternen Sinnes diese Menschen, diese Dinge
sich betrachtet, der hätte nicht übel Lust auszurufen:
„O sprich mir nicht von jener Lunter Menge
Bei deren Anblick uns der Geist entflieht."
Aber auch wer in dem zweiten jener Kreise durch die Ausstellungssäle selber wandert, wo sich
nach Nationen die Werke der Malerei und Plastik von allen Gattungen bunt aneinander reihen,
dem könnte bange werden vor dieser neuen „unharmonischen Menge," die auf den ersten Blick
wenigstens, „verdrießlich durcheinander klingt." Welcher Unterschied der Zeiten, da Cimabue's
 
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