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Städtebilder.
Wie anders Danzig! Hier ragen, von dichtem, buntem Leben umwogt, uicht btos
die Kircheu, die öffentlichen Gebäude des Handels, des kommunalen Lebens in reichster Zahl,
und eine wohlerhaltene würdig stolze Gothik weist aus der Schaar der Häuser empor, sondern
diese Häuser selbst athmen in tausend Zügen, ganze Straßen auf und nieder, lebensvoll
und überzeugend den Geist vergangener nnd sortwirkeuder Größe. Dicht zusammengedräugt
durch die Umwallung der Stadt, vielleicht anch anfänglich, um das gothische Dreieck des
Giebels an das Dach anzuschließen, ziehen sich, mit ihren schmalen Seiten zur Straße
schauend, oft hoch bis zu sechs, ja sieben Stock hinauf, die Häuser die meist uicht breiten, zu-
weilen düsteren Gassen entlang. Kaum einer der so dicht gereihten schlanken Giebel entbehrt
der Zierden vergangener Zeit. Hier streben die senkrechten Linien der Gothik zwischen
den auffallend hohen Spitzbogen-, oder dreiflügelig breiten gewöhnlichen Fenstern hinauf
nnd enden in zierlichen Kuppen oder schlanken Fialen oder drohenden Zinnen. Dort nnd
zwar in überwiegender Zahl kleidet herrliche Renaissance zwischen den bewnßtvoll gezogenen
Friesen nnd Simsen mit kunstreichen, bisweilen meisterhaften Reliefs und Pilastern die
nackte Wandfläche und schmückt gestaltungsreich die hier ebenfalls schlanken, hohen Fenster;
duschen ferner vertieft sie und wölbt sie mit einer Muschel, Büsteu nud Statuen stellt sie
hinein, Karyatiden und Telamonen beugt sie nuter die Last, und so rings nmher auf
Rinne und Brüstung, anf Geländer nnd Vorsprung, Giebel und Dach weckt sie in den
kalten Steinen das rege nnd doch harmonisch schön gegliederte Leben. Mit Befriedigung
und Frende gleitet das Auge von Stockwerk zu Stockwerk hiuab. lieber der gewaltigen
mit Holzschnizwerk verzierten Hansthüre und ihren blanken Messing-Angeln nnd Klopfer,
Drücker und Knäufen erhebt sich das breite, tiefe Portal ans massivem grauem oder rothem
Sandstein, aus polirten Granit, ja ans Marmor. Gewandreiche Heilige, antike oder
heimische Helden zieren auf kunstvollem Uuterban den einführenden ernsten Spitzbogen, wie
den milden Rundbogen. Oder Säulen bilden eine kleine Vorhalle und tragen auf ihrem in
Linien fein gegliederten Architrav finnvolle Formen und weltliche Grüße und Sprüche,
darüber Urnen, Thiere, Abzeichen der Bestimmung des Gebäudes, Insignien des Berufs.
Oder lediglich in den umkleidenden Stein gemeiselt zieren den Eingang das Wappen
des Eigenthümers oder aus ganz früherer Zeit die geheimnißvolle Hausmarke (Hautgemal)
der hier erbgeseffenen Familie, wie z. B. das nebenstehende Monogramm, ent-
" sprechend dem späteren Wappen nnd der Firma. Znr Rechten nnd Linken vor
^^"^ der Thüre in Nischen, auf Adlern, Greifen u. a. Raubthieren ruhend, laden
wohl noch die engen Steinsitze in der Vertiefung des Portales den Hans-
ch^ Herrn zu kurzer Rast. Die Thüre ist halb offen, man schant tief hinten das
belebte Geschäftslokal, vorne aber eine weite Hausflnr mit Sandstein oder
Ziegeln gedielt, droben eine gewölbte oder auf reichverzierten Horizontalbalken ruhende
Decke, an den Wänden die gewichtigen Nußbanm- und Eichenschränke, oben darauf Pom
zellanvasen mit zierlichsten Blumen bemalt, bald gravitätisch dick, bald graziös schlank;
noch ebenso stolz wie zur Zeit der großen Handelöblüthe, strecken sie ihre mächtigen
bunten Büschel oder Papierblumen oder braunen Rohrwedeln empor. Grimmige Krie-
ger in vergoldetem Holzpanzer schirmen die reichgeschnitzte Treppe, als wäre das Haus
ungastlich, der Sitte zum Trotz. Klingt doch eben fröhliches Gespräch von der trau-
lichen niederen „Hangestube" her, die der Danziger Familienpapa zu gern sich oben
zwischen Flur und erste Etage znm Plauderstübchen einschieben ließ. Vor dem Hause
aber breitet der weite „Beischlag" keck seine Sandsteine aus zwischen den Unter-
mauern der Rinnenhälse, welche ihn von den Nachbarn scheiden; so geben sie dem
Hauseigenthümer einen Theil des Bürgersteiges, eingegränzt znr Vereinigung der Familien-
Städtebilder.
Wie anders Danzig! Hier ragen, von dichtem, buntem Leben umwogt, uicht btos
die Kircheu, die öffentlichen Gebäude des Handels, des kommunalen Lebens in reichster Zahl,
und eine wohlerhaltene würdig stolze Gothik weist aus der Schaar der Häuser empor, sondern
diese Häuser selbst athmen in tausend Zügen, ganze Straßen auf und nieder, lebensvoll
und überzeugend den Geist vergangener nnd sortwirkeuder Größe. Dicht zusammengedräugt
durch die Umwallung der Stadt, vielleicht anch anfänglich, um das gothische Dreieck des
Giebels an das Dach anzuschließen, ziehen sich, mit ihren schmalen Seiten zur Straße
schauend, oft hoch bis zu sechs, ja sieben Stock hinauf, die Häuser die meist uicht breiten, zu-
weilen düsteren Gassen entlang. Kaum einer der so dicht gereihten schlanken Giebel entbehrt
der Zierden vergangener Zeit. Hier streben die senkrechten Linien der Gothik zwischen
den auffallend hohen Spitzbogen-, oder dreiflügelig breiten gewöhnlichen Fenstern hinauf
nnd enden in zierlichen Kuppen oder schlanken Fialen oder drohenden Zinnen. Dort nnd
zwar in überwiegender Zahl kleidet herrliche Renaissance zwischen den bewnßtvoll gezogenen
Friesen nnd Simsen mit kunstreichen, bisweilen meisterhaften Reliefs und Pilastern die
nackte Wandfläche und schmückt gestaltungsreich die hier ebenfalls schlanken, hohen Fenster;
duschen ferner vertieft sie und wölbt sie mit einer Muschel, Büsteu nud Statuen stellt sie
hinein, Karyatiden und Telamonen beugt sie nuter die Last, und so rings nmher auf
Rinne und Brüstung, anf Geländer nnd Vorsprung, Giebel und Dach weckt sie in den
kalten Steinen das rege nnd doch harmonisch schön gegliederte Leben. Mit Befriedigung
und Frende gleitet das Auge von Stockwerk zu Stockwerk hiuab. lieber der gewaltigen
mit Holzschnizwerk verzierten Hansthüre und ihren blanken Messing-Angeln nnd Klopfer,
Drücker und Knäufen erhebt sich das breite, tiefe Portal ans massivem grauem oder rothem
Sandstein, aus polirten Granit, ja ans Marmor. Gewandreiche Heilige, antike oder
heimische Helden zieren auf kunstvollem Uuterban den einführenden ernsten Spitzbogen, wie
den milden Rundbogen. Oder Säulen bilden eine kleine Vorhalle und tragen auf ihrem in
Linien fein gegliederten Architrav finnvolle Formen und weltliche Grüße und Sprüche,
darüber Urnen, Thiere, Abzeichen der Bestimmung des Gebäudes, Insignien des Berufs.
Oder lediglich in den umkleidenden Stein gemeiselt zieren den Eingang das Wappen
des Eigenthümers oder aus ganz früherer Zeit die geheimnißvolle Hausmarke (Hautgemal)
der hier erbgeseffenen Familie, wie z. B. das nebenstehende Monogramm, ent-
" sprechend dem späteren Wappen nnd der Firma. Znr Rechten nnd Linken vor
^^"^ der Thüre in Nischen, auf Adlern, Greifen u. a. Raubthieren ruhend, laden
wohl noch die engen Steinsitze in der Vertiefung des Portales den Hans-
ch^ Herrn zu kurzer Rast. Die Thüre ist halb offen, man schant tief hinten das
belebte Geschäftslokal, vorne aber eine weite Hausflnr mit Sandstein oder
Ziegeln gedielt, droben eine gewölbte oder auf reichverzierten Horizontalbalken ruhende
Decke, an den Wänden die gewichtigen Nußbanm- und Eichenschränke, oben darauf Pom
zellanvasen mit zierlichsten Blumen bemalt, bald gravitätisch dick, bald graziös schlank;
noch ebenso stolz wie zur Zeit der großen Handelöblüthe, strecken sie ihre mächtigen
bunten Büschel oder Papierblumen oder braunen Rohrwedeln empor. Grimmige Krie-
ger in vergoldetem Holzpanzer schirmen die reichgeschnitzte Treppe, als wäre das Haus
ungastlich, der Sitte zum Trotz. Klingt doch eben fröhliches Gespräch von der trau-
lichen niederen „Hangestube" her, die der Danziger Familienpapa zu gern sich oben
zwischen Flur und erste Etage znm Plauderstübchen einschieben ließ. Vor dem Hause
aber breitet der weite „Beischlag" keck seine Sandsteine aus zwischen den Unter-
mauern der Rinnenhälse, welche ihn von den Nachbarn scheiden; so geben sie dem
Hauseigenthümer einen Theil des Bürgersteiges, eingegränzt znr Vereinigung der Familien-