282
Wilhelm Stier's Architektonische Erfindungen.
nachzuweisen bis jetzt nicht gelungen ist, durch Zeichnung Herzustellen, und so haben denn, älterer
Versuche zu geschweigen, in den letzen Decennien A. Hirt, L. Canina, und gleichzeitig mit Stier
auch Schinkel Restaurationen versucht und publicirt. W. Stier's Wiederherstellung, welche ohne
Zweisel zu den gelungensten Versuchen der Art gehört und sich der Arbeit Schinkel's sehr wohl an
die Seite stellen läßt, verdankt ihre Enstehung einer unfreiwilligen Muße, welche der Künstler durch
die im Jahre l830 erfolgte Umgestaltung der Berliner Bau-Akademie erhielt. Er war erst vor
Kurzem von einem längeren Aufenthalt in Italien zurückgekehrt. Die Eindrücke des Alterthums
standen ihm noch lebhaft vor der Seele. Während seiner fast vierjährigen angestrengten Lehrthä-
tigkeit hatte er über das Wesen der antiken Baukunst nachgedacht. Es drängle ihn nun die Anschau-
ungen, welche er gewonnen, die Resultate seiner künstlerischen Bestrebungen, die Prinzipien, welche
er bis dahin vor seinen Schülern entwickelt hatte, in einem Werke der freien Phantasie, zum sicht-
baren Ausdruck zu bringen, und dazu boten ihm die ausführlichen Beschreibungen, welche Plinius
von seinen beiden Landhäusern gegeben, ein vorzüglich geeignetes Programm. Die Arbeit zog sich
durch mehrere Jahre hin. Sie war seine Erholung nach den Unterrichtstnnden, „ein goldener Faden,
ein lieber Stern, in dessen Licht er neben den Geschäften des Berufs neue Lebensfrische suchte."
Bei der sorgfältigen Durcharbeitung aller Einzelheiten war er bemüht, allen Neichthum feiner
Phantasie alle Erinnerungen an das geliebte Italien zur Gestaltung zu bringen. Die ersten Skizzen
zu den beiden Entwürfen entstanden 1831 — 32. Dann führte er zunächst das Laurentinum weiter
aus. Und da es ihm widerstrebte, das Kind seiner Phantasie den Händen eines Kupferstechers zu
geistlosen Kopien zu überlassen, aus dem lange gehegten Liebling eine Buchhändler-Spekulation zu
machen, entschloß er sich das Werk selbst zu radiren und selbst zu verkaufen. Er machte zu dem
Zweck im Sommer 1833 einen Cursus im Kupferstechen bei Prof. Buchhorn durch und radirte ^
dann die Platten II — VI seines Laurentinum eigenhändig. Das dekorative Detail zeichnete er
ohne vorbereitende Zeichnungen unmittelbar aus die Platten. — Der Entwurf wurde von Künstlern
gesehen und geschätzt. Er ist aber nie in die Oefsentlichkeit gelangt. Im Jahre 1842 schrieb er die
Erläuterungen dazu und nahm sogleich den Entwurf des Tuscum wieder auf, von welchem einzelne
Blätter 1843 —47 beendet wurden. Doch brachte er die ganze Arbeit nie zum völligen Abschluß.
Die Zeichnungen zum Stich sind erst nach seinem Tode gefertigt worden. W. Stier hatte es unter-
deß auch aufgegeben, sie einzeln zu publiciren, und wünschte sie mit seinen späteren, größeren Arbeiten
zu ediren. Und so blieben diese freisten und edelsten Schöpfungen, die gereifte Frucht seiner
Studien über die Baukunst der Alten, ruhig in den Mappen und treten erst jetzt, nach 30 Jahren,
an das Licht, uni uns, seine Schüler zu erfreuen, zu belehren, zu bestärken, ihm neue Freunde und
Verehrer zu erwerben.
Auf die Einzelheiten der Entwürfe selbst, die nur im engsten Anschluß an den Text des
Plinius beurtheilt werden können, einzugehen, ist hier nicht der Ort. — Blatt I u. I I., die Gene-
ralansicht der ganzen Anlage und der besonders schöne Grundriß, sind von F. W. Schwechten
gestochen.
Der Text von Hubert Stier bringt außer einem Vorwort historische Notizen über die Ent-
stehung des Entwurfs, Uebersetzung der beiden Briefe des Plinius, und W. Stier's sehr vortreffliche,
auch für andere Verhältnisse lehrreiche Motivirung des Entwurfs und Erläuterung desselben.
Danzig. R. Bergau.
Wilhelm Stier's Architektonische Erfindungen.
nachzuweisen bis jetzt nicht gelungen ist, durch Zeichnung Herzustellen, und so haben denn, älterer
Versuche zu geschweigen, in den letzen Decennien A. Hirt, L. Canina, und gleichzeitig mit Stier
auch Schinkel Restaurationen versucht und publicirt. W. Stier's Wiederherstellung, welche ohne
Zweisel zu den gelungensten Versuchen der Art gehört und sich der Arbeit Schinkel's sehr wohl an
die Seite stellen läßt, verdankt ihre Enstehung einer unfreiwilligen Muße, welche der Künstler durch
die im Jahre l830 erfolgte Umgestaltung der Berliner Bau-Akademie erhielt. Er war erst vor
Kurzem von einem längeren Aufenthalt in Italien zurückgekehrt. Die Eindrücke des Alterthums
standen ihm noch lebhaft vor der Seele. Während seiner fast vierjährigen angestrengten Lehrthä-
tigkeit hatte er über das Wesen der antiken Baukunst nachgedacht. Es drängle ihn nun die Anschau-
ungen, welche er gewonnen, die Resultate seiner künstlerischen Bestrebungen, die Prinzipien, welche
er bis dahin vor seinen Schülern entwickelt hatte, in einem Werke der freien Phantasie, zum sicht-
baren Ausdruck zu bringen, und dazu boten ihm die ausführlichen Beschreibungen, welche Plinius
von seinen beiden Landhäusern gegeben, ein vorzüglich geeignetes Programm. Die Arbeit zog sich
durch mehrere Jahre hin. Sie war seine Erholung nach den Unterrichtstnnden, „ein goldener Faden,
ein lieber Stern, in dessen Licht er neben den Geschäften des Berufs neue Lebensfrische suchte."
Bei der sorgfältigen Durcharbeitung aller Einzelheiten war er bemüht, allen Neichthum feiner
Phantasie alle Erinnerungen an das geliebte Italien zur Gestaltung zu bringen. Die ersten Skizzen
zu den beiden Entwürfen entstanden 1831 — 32. Dann führte er zunächst das Laurentinum weiter
aus. Und da es ihm widerstrebte, das Kind seiner Phantasie den Händen eines Kupferstechers zu
geistlosen Kopien zu überlassen, aus dem lange gehegten Liebling eine Buchhändler-Spekulation zu
machen, entschloß er sich das Werk selbst zu radiren und selbst zu verkaufen. Er machte zu dem
Zweck im Sommer 1833 einen Cursus im Kupferstechen bei Prof. Buchhorn durch und radirte ^
dann die Platten II — VI seines Laurentinum eigenhändig. Das dekorative Detail zeichnete er
ohne vorbereitende Zeichnungen unmittelbar aus die Platten. — Der Entwurf wurde von Künstlern
gesehen und geschätzt. Er ist aber nie in die Oefsentlichkeit gelangt. Im Jahre 1842 schrieb er die
Erläuterungen dazu und nahm sogleich den Entwurf des Tuscum wieder auf, von welchem einzelne
Blätter 1843 —47 beendet wurden. Doch brachte er die ganze Arbeit nie zum völligen Abschluß.
Die Zeichnungen zum Stich sind erst nach seinem Tode gefertigt worden. W. Stier hatte es unter-
deß auch aufgegeben, sie einzeln zu publiciren, und wünschte sie mit seinen späteren, größeren Arbeiten
zu ediren. Und so blieben diese freisten und edelsten Schöpfungen, die gereifte Frucht seiner
Studien über die Baukunst der Alten, ruhig in den Mappen und treten erst jetzt, nach 30 Jahren,
an das Licht, uni uns, seine Schüler zu erfreuen, zu belehren, zu bestärken, ihm neue Freunde und
Verehrer zu erwerben.
Auf die Einzelheiten der Entwürfe selbst, die nur im engsten Anschluß an den Text des
Plinius beurtheilt werden können, einzugehen, ist hier nicht der Ort. — Blatt I u. I I., die Gene-
ralansicht der ganzen Anlage und der besonders schöne Grundriß, sind von F. W. Schwechten
gestochen.
Der Text von Hubert Stier bringt außer einem Vorwort historische Notizen über die Ent-
stehung des Entwurfs, Uebersetzung der beiden Briefe des Plinius, und W. Stier's sehr vortreffliche,
auch für andere Verhältnisse lehrreiche Motivirung des Entwurfs und Erläuterung desselben.
Danzig. R. Bergau.