308
Korrespondenzen.
religiösen Inhalts, mit einem Dutzend historischer Porträts, also der Anlage nach ein Bild ersten
Ranges, was die Ausführung anbetrifft, aber vollendeter als Alles, was gleichzeitige Knust in
Deutschland hervorgebracht hat. Wer konnte denn nun damals so malen? welcher Meister konnte
Holbein in einer Weise nachahmen, daß er ihn weit überholte, und bei Wiedergabe feiner ganzen
Cigeuthümlichkeit, doch in der Farbe Herrlicheres schuf? Ich biu überzeugt, daß jeder kompetente
Kunsthistoriker mit Bestimmtheit sagen wird: das konnte eben nur Holbein, indem er sich selbst
übertraf. Ich beuge mich vor diesem Urtheil, das ich selbst nicht auszusprechen wage. Ist die Ion8
vits aber von Holbein, und ich lade alle Holbeinkenner dringend ein, dies durch eigene Anschauung
zu konstatiren, so ergiebt sich gezwungener Weise ein anderer Umstand, den ich nur mit Schüch-
ternheit vorbringe, dann muß nämlich Hans Holbein im Jahre 1519 in Portugal gewesen fein.
Hier höre ich einen lauten Ausruf des Unwilleus über diese verwegene Behauptung an der
westlichsten Ecke Europa's. Es sei. Geben wir indeß einmal versuchsweise zu, Holbein könne in
Portugal gewesen sein, so bieten sich nns folgende Umstände dar, die feiner Anwesenheit nicht
absolut eutgegeustehen. König Don Manoel ließ bekanntlich von allen Enden der Welt berühmte
Künstler nach Lissabon kommen, um mit ihrer Hülfe und den unermeßlichen Schätzen Indiens das
kleine Land in eine Nnhmeshalle der Kunst zu verwandeln. Unter ihm lebte Jac. Sansovino, der
große Bildhaner des Cinquecento, neun Jahre laug in Portugal uud führte bei dieser Gelegenheit
n. A. die schöne Kanzel von S. Cruz in Coimbra aus*'). Don Manoel berief Anton von Holland,
Olliver von Gent, Christoph von Utrecht n. v. A. nach Lissabon. Liest man die Chroniken jener
Zeit, so erstaunt man darüber, welche Nolle Portugal damals in der Weltgeschichte spielte. Es
war, wie wir heute sagen würden, eine Großmacht ersten Naugeö. Wie oft findet man nicht die
Notiz, der König von Portugal (Don Manoel oder Joäo III.) kaufte dieses oder jenes Kunstwerk,
ließ diesen oder jenen Künstler für sich arbeiten u. s. w. Damals war der König von Portugal der
Mäceu der Kunst uud überall iu der Küustlerwelt wurde sein Name mit , Begeisterung genannt.
Don Manoel war der Schwiegervater Carl's V., in steter enger Beziehung zu Leo X., zu Franz I.
uud Heiurich VIII. Wäre es nicht möglich, ja wahrscheinlich, daß ihm einer dieser Fürsten auch
den Namen Holbeiu's genannt und dadurch in ihm den Wunsch erregt haben könnte, jene Kraft in
seiucui Dienste zu verwenden? So viel steht fest, sagt Woltmann, daß Holbein eine Neise gemacht
hat, denn in seinen Arbeiten nach 1517 ist der Einfluß der norditalienischen Kunst ersichtlich,
wahrscheinlich kam er bis Mailand und Venedig, obwohl keine Spur seiuer Thätigkeit dort er-
halten ist**). Warum uicht eben so gut, frage ich, bis Lissabon, „trotzdem" hier zwei seiner besten
Arbeiten epistiren? Warum nicht nach Portugal, wo er die Werke des großen Sansovino vor
Angen hatte, der nachweislich hier Paläste ansführte und Skulpturen schuf? Mußte er hier, wo
Alles zusammeuströmte, was damals in Italien und Frankreich Kunst trieb und pflegte, nicht
Neues lernen, und selbst während eines kurzen Aufenthaltes das Verständniß für südliche Farben-
pracht in sich aufnehmen? Waren die verschiedenen Kunsterzengnisse, die sich zu jener Zeit in
Lissabon anhänften, nicht vielleicht gerade der Gruud, weshalb sich bei Holbein nicht der Einfluß
Eiues Meisters bestimmt geltend macht, sondern sich aus seinen Werken mehr eine allgemeinere Er-
weiterung des Gesichtskreises, eine großartigere Ausfassung und eine wärmere Pinselführung
erkennen läßt? Würde eine Neise nach Portugal endlich nicht die Notiz Carel's von Mauder:
„niemals reiste Holbein nach Italien", vortrefflich bestätigen, da gerade diese bestimmte Versicherung
sehr wohl implicite die Möglichkeit einer anderweitigen Reise zuläßt?
Die gewöhnliche und sehr frequentirte Reiseroute nach Portugal ging in jener Zeit über
Barcelona und Savoyen. Diesen Weg nahm Franz von Holland als er von Lissabon nach Nom
zu Michel Angelo ging. Aus diesem Weg entsaudte Don Manoel wahrscheinlich jene 50 jungen
portugiesischen Künstler, die er auf seine Kosten Jahre lang in Frankreich und Italien als Stipen-
diaten unterhielt. lieber Barcelona reiste Margarethe von Navarra, als sie 1525 Franz I. in
*) Zeitschrist s. b. K. II. 16.
**) Holbein I. Seite 228 ff.
Korrespondenzen.
religiösen Inhalts, mit einem Dutzend historischer Porträts, also der Anlage nach ein Bild ersten
Ranges, was die Ausführung anbetrifft, aber vollendeter als Alles, was gleichzeitige Knust in
Deutschland hervorgebracht hat. Wer konnte denn nun damals so malen? welcher Meister konnte
Holbein in einer Weise nachahmen, daß er ihn weit überholte, und bei Wiedergabe feiner ganzen
Cigeuthümlichkeit, doch in der Farbe Herrlicheres schuf? Ich biu überzeugt, daß jeder kompetente
Kunsthistoriker mit Bestimmtheit sagen wird: das konnte eben nur Holbein, indem er sich selbst
übertraf. Ich beuge mich vor diesem Urtheil, das ich selbst nicht auszusprechen wage. Ist die Ion8
vits aber von Holbein, und ich lade alle Holbeinkenner dringend ein, dies durch eigene Anschauung
zu konstatiren, so ergiebt sich gezwungener Weise ein anderer Umstand, den ich nur mit Schüch-
ternheit vorbringe, dann muß nämlich Hans Holbein im Jahre 1519 in Portugal gewesen fein.
Hier höre ich einen lauten Ausruf des Unwilleus über diese verwegene Behauptung an der
westlichsten Ecke Europa's. Es sei. Geben wir indeß einmal versuchsweise zu, Holbein könne in
Portugal gewesen sein, so bieten sich nns folgende Umstände dar, die feiner Anwesenheit nicht
absolut eutgegeustehen. König Don Manoel ließ bekanntlich von allen Enden der Welt berühmte
Künstler nach Lissabon kommen, um mit ihrer Hülfe und den unermeßlichen Schätzen Indiens das
kleine Land in eine Nnhmeshalle der Kunst zu verwandeln. Unter ihm lebte Jac. Sansovino, der
große Bildhaner des Cinquecento, neun Jahre laug in Portugal uud führte bei dieser Gelegenheit
n. A. die schöne Kanzel von S. Cruz in Coimbra aus*'). Don Manoel berief Anton von Holland,
Olliver von Gent, Christoph von Utrecht n. v. A. nach Lissabon. Liest man die Chroniken jener
Zeit, so erstaunt man darüber, welche Nolle Portugal damals in der Weltgeschichte spielte. Es
war, wie wir heute sagen würden, eine Großmacht ersten Naugeö. Wie oft findet man nicht die
Notiz, der König von Portugal (Don Manoel oder Joäo III.) kaufte dieses oder jenes Kunstwerk,
ließ diesen oder jenen Künstler für sich arbeiten u. s. w. Damals war der König von Portugal der
Mäceu der Kunst uud überall iu der Küustlerwelt wurde sein Name mit , Begeisterung genannt.
Don Manoel war der Schwiegervater Carl's V., in steter enger Beziehung zu Leo X., zu Franz I.
uud Heiurich VIII. Wäre es nicht möglich, ja wahrscheinlich, daß ihm einer dieser Fürsten auch
den Namen Holbeiu's genannt und dadurch in ihm den Wunsch erregt haben könnte, jene Kraft in
seiucui Dienste zu verwenden? So viel steht fest, sagt Woltmann, daß Holbein eine Neise gemacht
hat, denn in seinen Arbeiten nach 1517 ist der Einfluß der norditalienischen Kunst ersichtlich,
wahrscheinlich kam er bis Mailand und Venedig, obwohl keine Spur seiuer Thätigkeit dort er-
halten ist**). Warum uicht eben so gut, frage ich, bis Lissabon, „trotzdem" hier zwei seiner besten
Arbeiten epistiren? Warum nicht nach Portugal, wo er die Werke des großen Sansovino vor
Angen hatte, der nachweislich hier Paläste ansführte und Skulpturen schuf? Mußte er hier, wo
Alles zusammeuströmte, was damals in Italien und Frankreich Kunst trieb und pflegte, nicht
Neues lernen, und selbst während eines kurzen Aufenthaltes das Verständniß für südliche Farben-
pracht in sich aufnehmen? Waren die verschiedenen Kunsterzengnisse, die sich zu jener Zeit in
Lissabon anhänften, nicht vielleicht gerade der Gruud, weshalb sich bei Holbein nicht der Einfluß
Eiues Meisters bestimmt geltend macht, sondern sich aus seinen Werken mehr eine allgemeinere Er-
weiterung des Gesichtskreises, eine großartigere Ausfassung und eine wärmere Pinselführung
erkennen läßt? Würde eine Neise nach Portugal endlich nicht die Notiz Carel's von Mauder:
„niemals reiste Holbein nach Italien", vortrefflich bestätigen, da gerade diese bestimmte Versicherung
sehr wohl implicite die Möglichkeit einer anderweitigen Reise zuläßt?
Die gewöhnliche und sehr frequentirte Reiseroute nach Portugal ging in jener Zeit über
Barcelona und Savoyen. Diesen Weg nahm Franz von Holland als er von Lissabon nach Nom
zu Michel Angelo ging. Aus diesem Weg entsaudte Don Manoel wahrscheinlich jene 50 jungen
portugiesischen Künstler, die er auf seine Kosten Jahre lang in Frankreich und Italien als Stipen-
diaten unterhielt. lieber Barcelona reiste Margarethe von Navarra, als sie 1525 Franz I. in
*) Zeitschrist s. b. K. II. 16.
**) Holbein I. Seite 228 ff.