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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Lützow, Carl von: Die Findung Mosis
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0044
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Die Findung Masis,

Oelgemälde von Albert Zimmermann in der Galerie des Freiherrn
v. Schack zu München.
Mit einer Radirung.


er echte Landschaftsmaler muß im Stande sein, die Natur so zu
sagen mit zweierlei Augen zu sehen. Das eine Mal ist er nichts
Anderes als der Porträtmaler der Natur: er greift aus der
Fülle des vegetativen Lebens ein einzelnes Objekt, eine Species,
eine Oertlichkeit von charakteristischem Reiz oder ein Phäno-
men heraus und sucht es in der vollen Eigenthümlichkeit seiner

konkreten Erscheinung mit allen Wind- und Wetter-Furchen im lebendigen Mienenspiel des
Lichtes vor uns Hinzuzaubern. Die Naturstudie, das Motiv, die Vedute und, als
höchstes Ergebniß, die sogenannte Stimmungslandschaft gehören in diese Reihe; bei
ihnen allen liegt das Hauptgewicht aus der individuellen Anschauung, auf dem Be-
sonderen, Subjektiven. Das Gegentheil ist bei der anderen Art landschaftlicher An-
schauung der Fall, die wir die historische zu nenneu pflegen. Sie lehnt sich gewisser-
maßen an die Stimmungslandschaft an; bei beiden ist es ein geistiger Inhalt, welcher in
die Natnr hinein-empfunden oder -gedacht wird; man könnte daher versucht sein, die
Stimmnngslandschaft ohne Weiteres der historischen beizuordnen. Aber diese letztere hat es
vorzugsweise mit dem geistigen Inhalt einer großen Gesammtheit, mit der Welt, als Bühne
der Menschengeschichte betrachtet, und zwar nicht mit einer willkürlich gefärbten, sondern
mit der durch die Tradition gegebenen Auffassung derselben zu thun. Daher die Wahl-
verwandtschaft zwischen historischer Landschaft und Architektur; beide spiegeln den allgemeinen
Geist der Zeiten und Völker; von einer historischen Landschaft sagen wir mit Vorliebe:
wie großartig baut sie sich auf! Und es ist ja bekannt, daß uns die großen Architektur-
stile der Vergangenheit, der ägyptische z. B. und auch der griechische, oft nur wie das
geistig belebte Antlitz, wie das Auge des Naturkörpers erscheinen, den der Geist jener
Nationen sich erbaut. In dieser Allgemeinheit und Unpersönlichkeit ihres geistigen Inhalts
liegt nun aber auch die große Schwierigkeit und Gefahr für die historische Landschaft geborgen:
die Gefahr, anstatt groß und stilvoll, dekorativ, konventionell oder schlechthin langweilig zu
werden. Der starke Geist, der jeden Stoff bei seiner Wurzel packt, und dessen Schaffen
immerdar ein aus dem Inneren Herausgestalten ist, braucht freilich um diese Gefahr nicht
besorgt zu sein. Aber die Götter und Helden geringerer Ordnung, die Nachgeborenen und
Unfertigen darf man wohl daran erinnern, daß das treue, stete, liebevolle Einzelstudium
Zeitschrift für bildende Kunst. II.5
 
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