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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Lübke, Wilhelm: Das Nationaldenkmal für München
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0075

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5)l Das dtatlonatdenkmal für München.
übrigen deutschen Schulen genug hohe plastische Begabung anzutreffen ist. Denn bekannt-
lich hatte der Vollziehungs-Ausschuß, dem die Einleitung der Angelegenheit anvertraut
war, für gut gefunden, außer der allgemeinen Einladung zur Konkurrenz, eine direkte Auf-
forderung zur Betheiligung an sechs hervorragende Künstler ergehen zu lassen, und dabei
sich streng auf das außerpreußifche und außerösterreichische, also auf das sogenannte „reine"
Deutschland zu beschränken.
Wir erlauben uns, freilich nur gestützt auf treffliche Albert'sche Photographien des Ent-
wurfes und auf das vor Kurzem herausgekommene Gutachten des Schiedsgerichts, das in seiner
geistvollen Klarheit und Gediegenheit eine bekanute Meisterhand erkennen läßt, einige Bemer-
kungen über das schöne Werk. Auf den ersten Blick wird das Auge wohlthuend berührt von dem
edlen flüssig bewegten Umriß und dem ebenso reichen und klaren Aufbau des Ganzen, von
der Lebenswärme und dem idealen Schönheitshanche der Gestalten. Auf mäßig hohem
Postamente, den Augen des Beschauers nicht zu fern gerückt, die einfach würdige gut be-
wegte Figur des Monarchen, von prächtigem, groß drapirtem Mantel umflossen, in der
Rechten eine Rolle mit dem Staatssiegel, vielleicht die Verfassungsurkuude, an die Brust
drückend, mit der Linken sich leicht auf den Griff des in der reich verzierten Scheide ge-
haltenen Schwertes stützend. Aecht menschliches Wohlwollen ist der herrschende Ausdruck
dieser edlen Gestalt; wir kennen kein Fürstendeukmal bis auf die Reiterstatue des Mark
Aurel hinauf, iu welchem dieser Ausdruck der Humanität nud Urbanität so rein zur Er-
scheinung käme. Mag an dem vortretenden rechten Knie noch etwas Befangenheit sich
verrathen, wie das Gutachten sagt: das wird der Künstler leicht noch zum freien Fluffe
bringen; aber das Motiv an sich möge man ihm nicht verkümmern, ebenso wenig wie die
Haltung des Schwertes in der Linken, die nach dieser Seite allein im Stande ist, auf
ungezwungene Weise der Gestalt ihren belebten, volleren Umriß zu verleihen. Das ginge
verloren, wenn nach der Bemerkung des Gutachtens das Schwert „am Gürtel hinge oder
zur Seite lehute". Auch meinen wir, sei das Schwert ein wohl zn betonendes ausdrucks-
volles Element in der Eharakteristik eines Herrschers, da es ja schon als Symbol der Ge-
rechtigkeit kaum zu entbehren ist und, in dieser Weise dargestellt, weit weniger einen bloß
militärisch - etikettenmäßigen, als vielmehr einen bedeutsam attributiven Eindruck macht.
Wenn das Gutachten ferner am Königsmantel „schwere, wulstige Partieen" bemäugelt, so
mögen dieselben der rechten Seite angehören, die uns leider nicht in photographischer
Nachbildung vorliegt; die linke Seite dagegen kann kaum freier und schöner bewegt sein.
Um den Fuß des Postamentes sitzen ans breiterem Sockel vier allegorische Figuren:
Friede, Freiheit, Stärke, Gerechtigkeit. Sie sind größtentheils von hoher Schönheit; nament-
lich darf die Herrliche Jüngliugsgestalt des Friedens mit Palme und Füllhorn als eine der
reinsten Inspirationen der neueren Plastik bezeichnet werden. Hier trisst uns nicht der er-
kältende Hauch jener akademischen Schablonenwesen, welche in unseren Tagen noch gar zn
oft als klassisch-ideale Gestalten gelten sollen, sondern es strömt Etwas von jenem freieren
Ergüsse der Phantasie in ihm, der aus den Werken der italienischen Renaissance so jugendfrisch,
so lebenswarm uns trifft. Auch das hat der Künstler wohl bedacht, durch zwei mänuliche
und zwei weibliche Figuren sich eine reichere Skala der Kontraste zu eröffnen. Nur die Ge-
stalt der Stärke, eines bärtigen Mannes, scheint, wie auch das Gutachten hervorhebt, den
drei andern an Schönheit nicht gleich zu kommen, und der daneben gelagerte Löwe verstößt,
wie es eben dort richtig heißt „gegen unverbrüchliche Gesetze der räumlichen Bedingungen."
Als glücklich erfundenes Motiv des Ueberleitens müssen wir endlich die vier an den
Ecken des Postamentes angebrachten nackten wappenhaltenden Kinder bezeichnen. Sie ver-
binden die vier unteren Figuren mit der Hauptgestalt, und indem sie die Härten der archi-
 
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